Rezension

Originell und wunderschön

Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke
von Karen Joy Fowler

Bewertet mit 5 Sternen

Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr auf ein Buch wartet, dass euch so mitreißt und mitfühlen lässt, ihr selbst aber noch nicht wisst, wie es genau aussehen soll? Genau dieses Phänomen hat dieses Buch bei mir ausgelöst! Als ich begonnen habe das Buch zu lesen, dachte ich es würde nur in kleines Buch für zwischendurch werden. Eine kleine, nette, unterhaltsame Geschichte, aber nicht unbedingt mit viel Tiefgang. Doch es kam ganz anders. Unterhaltsam, ja. Das ist das Buch definitiv. Aber es ist zusätzlich auch noch so viel mehr als das. Es ist gefühlvoll, spricht Themen an, denen man eigentlich nicht wirklich tagtäglich über den Weg läuft und skizziert ein Familienleben, welches so einzigartig ist, dass man es gar nicht unsympathisch finden kann. Ich war, als sich die Zusammenhänge der Geschichte, etwas gelichtet haben, erst einmal etwas verblüfft. Denn die Geschichte überrascht mit einem Detail, was ich überhaupt nicht erwartet hätte. Dieses Detail führt aber dazu, dass die Geschichte eine Eigendynamik entwickelt, die dazu verleitet immer weiterzulesen.

Die Hauptfiguren sind Rosemary und Fern. Zwei Geschwister, die unterschiedlicher und auch paradoxerweiser ähnlicher nicht sein könnten. Der Leser wird auf eine Erzählreise genommen, die veranschaulichen soll, welche Vorfälle dazu führten, das ein Familienmitglied nicht mehr bei ihnen wohnt. Aber meiner Meinung nach spielen nicht nur die beiden Schwestern eine große Rolle, sondern eigentlich jeder Charakter lässt die Geschichte so lebendig erscheinen. Es gibt so viele kleine Einzelheiten, die einen zum lachen bringen. Für mich war zum Beispiel, die Handpuppe Madame Defarge ein echtes Highlight. Ich habe mich wirklich gefragt, wie man auf solche Ideen kommt und wie es sein kann, dass ich als Leser diese Idee so fabelhaft finde, dass ich das Buch direkt mit der größten Punktzahl bewerte!? Es war einfach grundsätzlich eine gewisse Stimmigkeit zwischen dem Buch und mir vorhanden. So viele Dinge wurden angesprochen, Fragen, Aussagen, Konversationen, die ich genauso empfinde und mich auch öfters gefragt habe, ob nicht jemand anders über dies genauso denkt.

Den Schreibstil empfand ich als sehr angenehm und fließend. Es gibt zwar einige Zeitsprünge, die die Protagonistin aber bewusst einleitet und die auch gänzlich zu der Geschichte passen. Es zieht sich ein roter Faden durch die Aussagen, dass manche Geschichten schlicht und einfach ab der Mitte erzählt werden und auch dort aufhören [Wenn ihr das Buch lest, werdet ihr es verstehen :)]. Es gibt zwischen den großen Abschnitten, jeweils immer ein kleines Zitat aus einem Werk von Kafka. Ich werde euch jetzt nicht verraten aus welchem Werk, denn dann würde man vielleicht zu viel vorweg nehmen.

Die Geschichte nimmt zudem sehr starken Bezug auf das Verhältnis zwischen den Tieren und dem Menschen. Es geht um die Wahrnehmung; Die eigene und auch die, die andere von uns haben. Kann man sich dann sicher sein, dass man der ist, der man denkt, der man ist? [Genau solche Fragen tauchen auch in dem Buch auf].  So hat die Geschichte ebenfalls einen philosophischen, wie auch psychologischen Kern und ist damit alles andere als eine gewöhnliche "Les ich schnell mal durch" Geschichte. Ich für meinen Teil hätte gerne noch viel mehr über die Familie Cooke erfahren. Es fiel mir sehr schwer, mich am Ende des Buches von Rosemary zu "verabschieden". Ihr Charakter war einfach unfassbar packend und interessant. Ich hoffe, ich werde mir in diesem Jahr, noch einmal die Zeit nehmen und das Buch ein zweites Mal lesen können!

Obwohl die komplette Geschichte von Rosemary erzählt wird, als sie [ich glaube] dreißig ist, versprüht die Geschichte eine solche Leichtigkeit, als wäre es die Rosemary, von der sie erzählt, als sie jeweils fünf, elf und älter war. Man kann sich die Protagonistin gar nicht wirklich als erwachsene Frau vorstellen, weil es immer einen Anteil gibt, der eben noch kindlich naiv, aber positiv naiv wirkt. Für mich ist die Protagonistin eine so wundervolle, spannende und unterhaltsame Erzählerin, dass mir die Geschichte wahrscheinlich auch schon gefallen hätte, wenn sie nur über ihr Frühstück berichtet hätte.

Insgesamt:

Lustig, gefühlvoll, packend und nachdenklich. Einfach ein All-round Paket. Nimmt Bezug auf viele Fragen im Leben und geht stark auf die zwischenmenschliche, wie auch menschlich-tierische Beziehung ein.