Rezension

Orientierungslosigkeit pur

Staub - Svenja Leiber

Staub
von Svenja Leiber

Bewertet mit 2 Sternen

Wahrscheinlich habe ich dieses Buch mit der falschen Erwartungshaltung gelesen. Es geht um den deutschen Arzt Jonas Blaum, der in seiner Kindheit ein prägendes Jahr in Saudi-Arabien verbracht hat und nun – opioidabhängig und allem überdrüssig, von seiner Freundin verlassen – zurück in den Nahen Osten kehrt. Nach Amman, Jordanien, genauer gesagt. Ohne konkreten Plan, zu Besuch bei einem Freund auf unbestimmte Zeit.

Erhofft hatte ich mir, auch angesichts der aktuellen Situation, etwas über das Leben, die Geschichte, die Kultur und Probleme der arabischen Welt zu lernen. Stattdessen habe ich über 200 Seiten Innenbeschau von Jonas Blaum gelesen, der mich mehr und mehr genervt hat. Eigentlich hängt er nur rum und tut sich selbst leid. Am meisten gepackt hat mich noch die Schilderung seiner Kindheit in Saudi-Arabien und die Beziehung zu seinem Bruder Semjon, der nicht das Mädchen sein will, das sein Körper für ihn vorgesehen hat. Ansonsten krankt Jonas an unserer Geworfenheit in diese Welt – tun wir alle, aber nach der Pubertät gibt es auch irgendwann ein Verfallsdatum dafür und verliert an Interesse. Um ihn herum sterben die Menschen, werden Eltern, werden vergewaltigt, flüchten, kämpfen, suchen nach Brunnen – Jonas lässt sich treiben, immer voll auf sich konzentriert. Eigentlich müsste man mal was machen, oder zumindest was sagen – aber ach, soll sich jemand anders drum kümmern.

Wenn die Autorin hauptsächlich diese innere Wehleidigkeit und Orientierungslosigkeit darstellen wollte, ist ihr das gelungen. Mir ist aber nicht klar, inwiefern das Relevanz haben oder warum man das lesen soll – ganz egal, wo auf der Welt die Geschichte angesiedelt ist. Ich konnte bei Jonas auch keinerlei Entwicklung erkennen. Am Ende macht er zwar mal was, aber auch nur aufgrund äußeren Drucks. Dabei faselt er innerlich wie gehabt vor sich hin. Ein Zitat von der ersten Seite fasst das Buch im Grunde perfekt zusammen:

„Ich hatte das ganze Haben satt. Dieses imperativische Glück. Ein alles überwucherndes Spektakel. Überdreht hier, erstarrt dort. Und ich? Fasele. Beschämend. Offen gestanden bin ich sogar gewaltbereit. Ein Held. Wenigstens in Gedanken. Hochmütig und einsam also. Müde von Unversehrtheit.“ (S. 9)

Kürzer noch gegen Ende, S. 208: „Ach, was faselt mein Gehirn.“