Rezension

Nobelkitsch

Gun Love - Jennifer Clement

Gun Love
von Jennifer Clement

Bewertet mit 3 Sternen

„Gebete für die Vermissten“ ist ein Buch dass mich sehr beeindruckt hat. Ein neues Buch von Jennifer Clement war für mich Pflichtlektüre. Was sie hier mit „Gun Love“ vorlegt, ist etwas anders.

Pearl ist 14 Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter in einem Auto auf einem Trailerpark direkt neben einer Müllkippe. Sie kennt es nicht anders und ist zufrieden. Man findet manchmal spannende Dinge im Müll. Die Bewohner des Tailerparks sind skurrile Randexistenzen und bieten einen hübschen Querschnitt durch Amerikas unterste Schichten. 

Jennifer Clement schreibt sehr schön in einem höchst eigenen Stil voller origineller Bilder, irgendwas zwischen frech und poetisch. Das lesen macht Spaß, die ist Atmosphäre greifbar. Man kommt an in diesem Trailerpark. Pearls Familiengeschichte gibt Rätsel auf. Ihre Mutter kommt aus gehobenen Kreisen. Was ist passiert, dass sie ihr Elternhaus verließ? 

Das treibt einen um zu Beginn dieses Buches, erfahren wird man es leider nie und muss sich mit Andeutungen begnügen. Offensichtlich ist Pearls Geschichte nicht das Hauptanliegen der Autorin. Es geht um Amerika, um das Regime, ein marodes Sozialsystem, um Waffengewalt, Waffengeschäfte, um Menschen die von sich sagen: „Für mich sind Waffen Freiheit.“

Ein wichtiges Thema, das hier hübsch verpackt präsentiert wird, leider ist die Verpackung etwas verspielt. 
Wenn beispielweise die leicht verrückte Noelle, die mit 30 noch immer Barbiepuppen sammelt, all ihre Puppen vor ihren Wohnwagen pflanzt und ein Puppengarten erblüht, weil sie sich zum ersten Mal verliebt hat, dann ist das ein eindrucksvolles Bild mit morbidem Charme, dessen Symbolgehalt jeden Kitschsensor anschlagen lässt. Nobelkitsch vom Feinsten, ja, aber dennoch Kitsch, off topic noch dazu.
Jennifer Clement schreibt poetisch und bildreich, aber ihre Bilder verklären hier bisweilen die Dramatik, lesen sich hübsch, deuten Übles an, treffen aber nicht. 
Auch die Sprache wird zunehmend blumig, fast meint man, die Autorin hat sich in einen Poesierausch begeben, wenn man liest: „Die Perlen um meinen Hals beweinten das Meer.“ Oder: „Meine Mitgefühl-mit-Gegenständen-Krankheit brach aus, während wir auf Hunderten von Verbrechen über den Highway sausten.“ 

Dieses Buch wäre beinahe ein wichtiges Buch geworden, hätte brandaktuelle Themen originell auf den Tisch bringen und den Leser treffen können, wenn man ein wenig auf die Poesiebremse getreten hätte. Die Autorin kann es besser, das weiß ich. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 25. September 2018 um 12:48

Nobelkitsch ist hart! Aber der letzte Satz - zum Dahinschmelzen.