Rezension

Nicht besser, aber auch nicht schlechter als der Vorgänger

Ugly - Pretty - Special 02: Pretty - Erkenne dein Gesicht - Scott Westerfeld

Ugly - Pretty - Special 02: Pretty - Erkenne dein Gesicht
von Scott Westerfeld

Cover:

Mir gefällt an dem Cover, dass es an dem Prinzip der Gestaltung festhält und dass man hier erkennen kann, dass Tally die Operation erhalten hat. Die überaus großen Auge empfinde ich aber alles andere als pretty.

Meinung:

Der zweite Teil eines eher mittelmäßigen ersten Teils konnte mich leider nicht überzeugen.

Die ersten 150 Seiten hätte ich das Buch am liebsten in die Ecke geworfen. Ich kann nicht sagen, wie schlecht und bescheuert ich es fand. Das lag zum einen daran, dass der Einstieg sehr abrupt ist und nicht direkt am ersten Band anschließt. Tally ist zu einer sehr überzeugenden Pretty geworden und befindet sich schon im Trubel von Partys, weiteren Operationen und Alkohol. Unterstrichen wird diese Angelegenheit durch die Pretty-Sprache, die nervtötend ist. Jedes zweite Wort lautet „prickelnd“ oder „pfusch“, was es damit genau auf sich hat, muss sich der Leser erschließen, denn noch immer erklärt der Autor nichts. Tally wird von Shay mit Tally-wa angesprochen, Shay mit Shay-la. Weswegen? Gute Frage, beide befinden sich ja auf einer Ebene.

Immer wieder überkam mich das Gefühl, dass der Autor keine Lust hatte, seine Welt zu entwerfen. „Wie kann ich das Gefühl erzeugen, dass die Sprache futuristisch ist? Hm… nennen sie sich doch mit wa und la am Ende an. Das klingt neuartig. Wieso? Keine Ahnung, ist mir auch egal.“
Das altbekannte Problem existiert also noch immer und macht mich ehrlich gesagt, trotz allem, sauer. Wieso kann der Autor nicht einmal ein paar Zeilen darauf verschwenden, was das Ganze soll? Weswegen muss er den Leser so schonungslos in diese Irrenanstalt schmeißen?

Tally erinnert sich durch einige Umstände daran, was sie mit den Smokies abgemacht hat und wird langsam wieder normal, verhält sich aber natürlich zum Schein hin weiter als Pretty. Um es in Pretty-Worten zu sagen: Hoher Nerv-Faktor.

Dann kommt das nächste, was ich unlogisch fand: im ersten Band stand Tally auf Peris, dann auf David und nun auf Zane. Liebe auf den ersten Blick, oder wie? Auch gut. Nur leider kaufe ich das der Handlung nicht ab. Ich muss zugeben, dass ich Zane als Figur sehr spannend finde. Man weiß bis zum Schluss nicht, ob er für die Specials arbeitet und Tally ausspioniert, oder ob er wirklich auf ihrer Seite ist und für sie einsteht. Dass Tally sich aber, obwohl sie genau um die Gefahren weiß, jedem gleich so offenbart und von ihrer eigentlich geheimen Mission erzählt, zeigt mir, dass sie sich keineswegs weiterentwickelt hat und das war leider etwas lächerlich.

Die einzige, die sich wirklich weiterentwickelt, ist Shay. Sie macht eine Entwicklung durch, die zwar nicht ganz positiv ist, aber es ist immerhin eine Änderung zum ersten Band, wo sie auch schon mehr vorzuzeigen hatte, als Tally, die immer nur an sich selbst gedacht hat. Und leider auch hier noch immer tut.
Die Entwicklung von Tallys und Shays Freundschaft finde ich unzureichend erklärt und demnach unlogisch. Da ich aber ohne Spoiler hier nicht in die Tiefe gehen kann, muss dieser Hinweis genügen.

Der Einblick in die Prettywelt war verstörend. Aber im positiven Sinne. Alle sind nur darauf aus, zu essen, zu feiern und kopflos, dumm Spaß zu haben. Das kam hier sehr gut zum Tragen und wurde sehr gut beschrieben, was mir gefallen hat. Der Überfluss und die Angebote an Freizeitbeschäftigungen waren grausig.
Die Gründe, die hinter den Operationen stehen, finde ich plausibel und das hat mich fasziniert, auch wenn Details angenehm gewesen wären. Letztendlich geht es in Dystopien immer darum, das Volk zu unterdrücken und gleichzeitig bei Laune zu halten, wodurch der schwierige Anfang für mich schon wieder Sinn ergab, auch wenn ich ihn ungünstig fand und nicht mag. Die Parallelität zwischen diesen beiden Spannungsfeldern wird in diesem Buch besonders gut ausgearbeitet und das mochte ich.

Das kommt vor allem deutlich heraus, als Tally mal wieder auf der Flucht ist und auf einige Wilde trifft. Mehr verrate ich dazu aber nicht, weil die Begegnung gleichsam aufschlussreich, aber auch seltsam war.

Nur gibt es etwas, an diesem Buch und auch schon bei Band 1, was mich nicht so richtig in die Geschichte reinziehen kann, sondern mich nur daran vorbeischrammen lässt, ohne dass ich genau benennen kann, was es ist. Vielleicht liegt es daran, dass viele Dinge eben nicht erklärt, sondern nur erwähnt werden (wo ist der Unterschied zwischen Hubbrett und Hubwagen? Wie funktionieren die Wände, die alles hören und sehen? Was heißt es, prickelnd zu sein? Wieso heißt es Tally-wa und mal Shay-la? Wieso redet Tally aber Zane nicht so an?) hier entstehen für mich Lücken, die mich aus dieser Welt fernhalten und ich glaube, das ist die größte Schwäche der Reihe, als würde der Autor selbst keine Antwort darauf kennen und es deswegen dem Leser verschweigen.

Fazit:
Eigentlich wollte ich dem Buch 4 Punkte geben, jedoch finde ich das für die Dinge, die mir fehlten etwas zu gut. Deshalb bleibe ich bei 3 Punkten, die diesmal aber deutlich besser sind als beim ersten Teil. Der zweite Teil ist packender als noch Band eins, dennoch besitzt auch er große Schwächen, die an nicht vorhandenen Erklärungen und teilweise unsympathischen Figuren liegen. Man muss die Fortsetzung nicht unbedingt lesen, es gibt weitaus bessere Dystopien auf dem Markt. Und die Auswahl ist ja groß genug.