Rezension

Nette Unterhaltung, mehr aber nicht

Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden -

Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden
von Michel Bergmann

Bewertet mit 2 Sternen

REZENSION – War es zeitlich so gewollt, dass ausgerechnet im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ beim Heyne Verlag im Oktober mit „Du sollst nicht morden“ der Debütkrimi von Michel Bergmann (77) veröffentlicht wurde? Zumindest war der Zeitpunkt passend gewählt, ist doch Bergmanns Auftaktroman zu seiner bereits auf acht Bände ausgerichteten Krimireihe rund um das jüdische Leben in Frankfurt am Main nicht nur ein Unterhaltungsroman, sondern vermittelt zumindest ansatzweise einiges Wissenswerte über das moderne Judentum in Deutschland.

In „Du sollst nicht morden“ lernen wir den Polohemden tragenden und einen Smart fahrenden modernen und liberalen Rabbiner Henry Silberbaum kennen, der sich engagiert um seine Gemeinde im Jüdischen Gemeindezentrum Westend, um die Schüler der dortigen Schule und um die Bewohner des jüdischen Altenstifts kümmert, das man als das Budge-Seniorenheim in Seckbach erkennen darf. Als dessen Bewohnerin Ruth Axelrath kurz nach ihrer Ankündigung, ihre Vermögensverhältnisse in Deutschland klären und nach Israel zur Tochter auswandern zu wollen, überraschend stirbt, denkt der krimi-belesene Rabbi sofort an Mord, zumal die Seniorin seiner Gemeinde doch gerade erst eine Million Euro zur Gründung einer Bibliothek versprochen hatte. Bestimmte Indizien scheinen nach und nach seinen Verdacht zu stützen. Doch Kommissar Robert Berking, der den Rabbi erst kürzlich nachts auf dem jüdischen Friedhof irrtümlich festgenommen hatte, vermisst eindeutige Beweise, um offiziell Ermittlungen aufnehmen zu können. So muss sich Rabbi Silberbaum zwangsläufig allein des vermeintlichen Mordfalles annehmen, nur gelegentlich vom Kommissar mit Tipps unterstützt.

"Mein Bestreben ist es, den Juden ein Recht auf Durchschnittlichkeit zu geben. Und zu sagen: Schaut her, ja, es ist nichts Besonderes, Jude zu sein", hat sich Michel Bergmann mal in einem Interview zu seinem Roman geäußert. Als Kind internierter jüdischer Flüchtlinge in der Schweiz geboren, verfügt der in Frankfurt aufgewachsene Autor sicher über gute Voraussetzungen, darüber zu schreiben. Insofern hätte ihm mit seiner Krimireihe „Der Rabbi und der Kommissar“ ein Kleinod in der weiten Krimi-Landschaft gelingen können. Wer allerdings die Bücher von Salcia Landmann kennt oder die von Friedrich Torberg übersetzten Werke Ephraim Kishons schätzt, stellt zu hohe literarische Erwartungen an Bergmanns Roman. Wer diesen Roman andererseits nur als schlichten Krimi liest, dem drängt sich unwillkürlich der Vergleich mit dem gewitztem Pater Brown auf, wenn der Rabbi sich zu rechtfertigen versucht: „Einige Fakten zu ignorieren ist keine Lüge.“ Doch auch hier unterliegt Rabbi Silberbaum im literarischen Vergleich: Die Handlung ist zu dünn, die Sprache zu schlicht und reicht stellenweise bis in die Niederungen von Plattitüden: „Du bist fit wie ein Turnschuh.“

Zweifellos ist der Rabbi eine interessante Ausnahme unter den literarischen Ermittlern. Doch auch hier gelingt Bergmann nicht der große Wurf. Zwar findet man hin und wieder den in jüdischen Witzen geschätzten Sarkasmus: „Ist mit ihr gereist, bis nach Auschwitz. Und sogar wieder zurück!“ Doch allzu banal wirken dann die vom Rabbi erzählten, zusammenhanglos in den Text eingestreuten Judenwitze. Anzuerkennen ist der Versuch, uns einige antisemitische Vorurteile unter die Nase zu reiben: „Nu sei nicht so geizig, aber so seid ihr Juden!“ Doch warum muss Bergmanns Mordopfer ausgerechnet eine Multimillionärin sein? Stützt er damit nicht selbst eines dieser unsäglichen Vorurteile?

Trotz der durchaus wissenswerten Einschübe über das Judentum, wobei sich der Autor auf die reformierte, in Deutschland vorherrschende liberale Strömung beschränkt, und eines Glossars mit Übersetzung der im Text vorkommenden jiddischen Begriffe kann ich den uneingeschränkt positiven Bewertungen mancher Rezensenten nicht zustimmen: „Du sollst nicht morden“ hat eine inhaltlich überschaubare, auf 280 Seiten gedehnte Handlung, der es leider an Dramatik und Spannung fehlt. Nur dank mancher ironischer, auch sarkastischer Passagen ist das Buch ein netter Unterhaltungsroman. Ob sich allerdings eine mehrbändige Reihe zu lesen lohnt, muss der Autor, von dem man doch weitaus Besseres kennt, erst noch beweisen.