Rezension

Märchen für Erwachsene

Die Phantasie der Schildkröte - Judith Pinnow

Die Phantasie der Schildkröte
von Judith Pinnow

Bewertet mit 3 Sternen

Ledig, weiblich, nicht mehr ganz jung. Edith Schellin ist Mitte 40, ihr Singeldasein hat sie straff organisiert. Jedes Kleidungsstück ist einem Wochentag zugeordnet, ihre Fernsehgewohnheiten sind strikt geregelt. Die Arbeit als Versicherungsangestellte erledigt sie planmäßig. Sie pflegt kaum Kontakte oder gar Freundschaften, einzig die schlechte Beziehung zu ihrer Mutter.
Abweichungen von ihrer Routine mag sie gar nicht. Bis plötzlich aus dem Nichts ein Mädchen auftaucht, Schneewittchen, wie es sich nennt, und Ediths Leben völlig durcheinander wirbelt.
Schneewittchen stellt Edith Aufgaben, lockt sie aus ihrer Wohlfühlblase, stellt sie vor kleine oder größere Herausforderungen. Edith lernt Dinge, auch über sich selbst, die sie nicht für möglich gehalten hat.
Ich mochte die Geschichte zum Anfang sehr. Edith war mir trotz all ihrer Eigentümlichkeiten vertraut und sympathisch. Doch mit der Zeit wandelt sich der Roman in eine Aneinanderreihung von seltsamen, manchmal eher abstrusen Ereignissen, die mir oft auch zu gewollt komisch und aufgesetzt vorkamen. Um bei einem Bild aus dem Buch zu bleiben, brannten mir in dem Roman zu viele Feuer, zu viele Problem oder Themen wurden angeschnitten. Ein wenig hatte ich das Gefühl, dass der Autorin die Fülle an Ideen auseinandergeglitten ist.
Ich konnte das Buch nur als Märchen für Erwachsene nachvollziehbar finden, weil ich mich dann  nicht allzu sehr auf die Suche nach Erklärungen einiger Geschehnisse machen musste. Vor allem die Frage, wer ist das Mädchen, woher kommt es, wohin geht es, bleibt in der Erzählung offen. Da aber Edith als Ich-Erzählerin nicht unbedingt zuverlässig sein muss und ausschließlich ihre Wahrnehmung schildert, konnte ich mit der Phantasie der Schildkröte ganz gut zurechtkommen.