Rezension

Liebesgeschichte zum Seufzen und Verrücktwerden

Tage zum Sternepflücken - Kyra Groh

Tage zum Sternepflücken
von Kyra Groh

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt 
Ausgerechnet in einen Gitaristen muss Layla sich vergucken, dabei hatte sie dieser Spezies doch eigentlich abgeschworen. Aber Julius sieht nicht nur unglaublich gut aus,  er ist auch intelligent und witzig und - vergeben. Das offenbart er ihr nach einer gemeinsamen Nacht und bringt Laylas Leben damit gehörig durcheinander.

Meinung 
„Tage zum Sternepflücken“ sprach mich besonders wegen des musikalischen Settings an, das die Autorin wirklich wunderbar umsetzt. Die Liebe zur Musik, ob zur klassischen, zum Jazz oder zur Popmusik, zur Ensemblemusik oder zum Sologesang, spricht aus jeder Zeile des Buches und manifestiert sich in den Figuren auf verschiedenste, liebenswürdige Art, was wirklich ansteckend ist.
Überhaupt sind die Figuren des Romans alle sehr schrullig und liebenswürdig, von der tollpatschigen Protagonistin Layla, die lernt, für sich einzustehen, über ihre Hippie-Mutter, ihren pubertären Bruder, ihren zerstreuten Professor/Chef und natürlich Julius, den Traumtyp mit dem großen Manko. 
Der Roman ist leicht und absolut unterhaltsam geschrieben, denn Layla hat einen sehr humorvollen, oft unfreiwillig komischen Blick auf die Dinge und eine witzige Art, ihre Erlebnisse zu beschreiben. Selbst wenn sie frustriert und deprimiert ist, unterhält sie auf diese Art die Leser*innen wunderbar. 
Manchmal „verquatscht“ sie sich beim Erzählen jedoch auch und holt zu weit aus, besonders am Anfang, wenn sie zum Beispiel ihre Familie und sich selbst vorstellt oder auf einmal in recht lange Rückblicke verfällt.
Layla ist an sich eine tolle Hauptfigur, die vor allem eine tolle Entwicklung durchmacht. Sie wirkt zunächst schüchtern und tollpatschig, zeigt aber auch oft genug, dass sie durchaus ihre Meinung sagen und für etwas einstehen kann, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt. Im Laufe des Buches gewinnt sie einige tolle Erkenntnisse in dieser Hinsicht, die auch für die Leser*innen eine tolle Botschaft darstellen. 
Gerade in Bezug auf ihre Beziehung zu Julius verhält Layla sich zunächst jedoch auch problematisch, was an der insgesamt problematischen Grundidee liegt. Julius hat seine Freundin mit Layla betrogen - eine unverzeihliche Handlung, nach der Layla ihn zunächst zu Recht abweisend behandelt. Doch obwohl er zugibt, sich nicht von seiner Freundin trennen zu wollen, macht er sich weiter offensichtlich an Layla heran und die spielt mit und scheint es oft genug gar nicht problematisch zu finden, dass sie etwas mit einem vergebenen Mann hat - und das, obwohl sie selbst schon einmal quasi betrogen wurde und sie das sehr verletzt hat. Zwischendurch, besonders gegen Ende hin, wird Julius‘ Verhalten zum Glück problematisiert, doch zwischendurch verhält Layla sich absolut nicht ihren eigenen moralischen Maßstäben entsprechend und sieht das noch nicht mal als Problem, was ich sehr inkonsequent und in Bezug auf die Aussage des Buches nicht sehr gelungen fand.  
Hinzu kommt das ewige Hin und Her zwischen den beiden aus den immer gleichen Gründen, das man sicher um gut 100 Seiten hätte kürzen können, ohne dass es zu großen inhaltlichen Verlusten gekommen wäre, denn das Layla nicht Julius‘ Affäre sein will, aber trotzdem auf ihn steht, hat man irgendwann verstanden.
Abgesehen von der moralisch fragwürdigen Grundlage ist die Liebesgeschichte von Layla und Julius eigentlich extrem süß, besonders durch die Rolle, die der Musik dabei zukommt, und man fiebert den ganzen Roman über mit, ob sie endlich zusammenkommen werden. 
Ein weiteres großes Manko des Romans ist Laylas Einstellung zu ihrem Körper und dem von anderen bzw. das Thema Gewicht generell. Layla trägt Kleidergröße 40, eine völlig normale Größe also, und ich hätte mich eigentlich drüber gefreut, dass mit einer Protagonistin wie ihr einmal gezeigt wird, dass Frauen mit Vorbildfunktion nicht immer superdünn sein müssen und auch gerne essen dürfen, wie Layla es tut. Allerdings meckert Layla auch bei jeder Gelegenheit an sich und ihrem Essverhalten rum - ohne ernsthaft etwas daran zu ändern, wohlgemerkt - und betont, dass sie zu dick sei und abnehmen müsse. Und nicht nur das, auch anderen Figuren legt die Autorin immer mal wieder Bemerkungen über Laylas Figur in den Mund, obwohl die für die Handlung völlig unerheblich sind. Damit ist ihre Vorbildfunktion als Frau mit Kurven gleich wieder dahin, denn es wird das Bild vermittelt, Größe 40 sei eine ungesunde und zu große Größe, da keine Figur im Buch dem je widerspricht. 
Gleichzeitig hat Layla aber auch an dünnen Frauen etwas auszusetzen und lästert beispielsweise über eine ihrer Kommilitoninnen, was die Frage aufwirft, was für sie denn bitte ein normaler, erstrebenswerter Körper wäre und wieso sie sich überhaupt anmaßt, über das Gewicht anderer zu urteilen. Dieser Aspekt hat sie leider unglaublich unsympathisch gemacht und für mich im Buch einen schalen Beigeschmack hinterlassen.

Fazit 
„Tage zum Sternepflücken“ ist eine unterhaltsame Liebesgeschichte mit schrulligen Figuren, aus der die Liebe zur Musik nur so sprüht. Leider haben mir einige Aspekte moralischer Art und das betriebene Bodyshaming nicht gefallen.