Rezension

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Krimifreunde kommen hier zu kurz

Black Bottom - Martin Keune

Black Bottom
von Martin Keune

Bewertet mit 2.5 Sternen

Jazzfreunde und Geschichtsinteressierte werden hier deutlich mehr auf ihre Kosten kommen als Krimifreunde. Für mich leider kein Lesevergnügen, daher 2 1/2 Sterne.

Inhalt
Berlin, 1930: Giftgasanschlag im Tanzpalast Femina. Inkognito vor Ort ist der in einer Jazzband Klarinette spielende Kommissar Sándor Lehmann. Bei seinen Ermittlungen geht es nicht nur darum herauszufinden, wer nun hinter dem Anschlag steckt und welche Motive es dafür gab  (Waren es lediglich neidische Konkurrenten? Oder hat es doch politische Hintergründe?), sondern auch seine eigene Identität und sein Alter Ego als Jazzmusiker zu schützen. Allerdings ist das nicht der einzige Stein, der ihm in den Weg gelegt wird. Sein neuer Kollege Belfort, überzeugter Nazi, und dessen Ermittlungsmethoden gilt es ebenfalls zu überwinden.

Meine ausführlichere Meinung
Vorneweg: ich habe lange überlegt, wie viele Sterne ich diesem Buch geben soll. Denn leider bin ich weder mit den Charakteren warm geworden noch mit dem Schreibstil. Hätte ich das Buch nicht in einer Leserunde zusammen mit dem Autor gelesen, hätte ich es wohl abgebrochen. Die letzten Kapitel haben mich dann doch ein wenig versöhnt, da mein Lesefluss endlich fließen konnte und fast nicht mehr unterbrochen wurde durch irgendwelche historischen Exkurse oder ausführlichen Szenenbeschreibungen. Auch die Tatsache, dass Martin Keune gründlich recherchiert hat und ein wirklich beeindruckendes Geschichts- sowie Jazzmusikwissen besitzt, haben dann noch ein halbes Sternchen mehr gegeben.

Der Schreibstil war zumindest für meinen Geschmack oft zu bildgewaltig; die Sätze sind oft lang und es finden sich auffallend viele Aufzählungen, die meiner Einschätzung nach in dieser Fülle nicht unbedingt notwendig sind und meinen Lesefluss oft haben stocken lassen. Auch an die verwendete Sprache selbst habe ich mich erst gewöhnen müssen, da diese für meine Verständnisse doch teilweise recht modern ist ("Das Ding war purer Sex", S. 15)

Ebenfalls als störend empfand ich die teilweise doch sehr ausführlichenen Beschreibungen. Hier ein Beispiel: "Im Zweiminutentakt rumpelten draußen die Züge vorbei; Sándor erahnte im Vorbeigehen das Gedränge monströser schwarzer Dampflokomotiven mit den dunkelgrünen und dunkelblauen Waggons aus Moskau und Paris; lehmverkrusteter Güterzüge voller Backsteine oder Kies aus Rathenow oder der Uckermark und der S-Bahn mit den quietschenden, schlingernden, immer überfüllten Wagen." (S. 43)

Mit den Charakteren bin ich leider ebenfalls nicht wirklich warm geworden, was unter anderem auch daran lag, dass ich mir vom Protagonisten Lehmann nach den ersten 100 Seiten immer noch kein klares Bild machen konnte.

Ebenfalls habe ich Probleme damit, dass Lehmann nur mit Hilfe eines angeklebten falschen Schnurrbarts seine Identität geheim halten kann und von (fast) niemanden erkannt wird. Insbesondere, nachdem er doch als eher eindrucksvolle Erscheinung beschrieben wird. Das ist für mich so ein bisschen wie Superman, der nur eine Brille braucht und dann zu Clark Kent wird und keinem auch nur annähernd die Ähnlichkeit zwischen den beiden auffällt. Tut mir leid, aber das kaufe ich einfach nicht ab.

Der eigentliche Kriminalroman steht leider im Hintergrund, weswegen Krimifans hier nur äußerst eingeschränkt an diesem Buch ihre Freude haben werden. Von den eigentlichen Ermittlungen bekommt man sehr wenig mit.

Insgesamt überwiegen deutlich historische Szenen und Fakten, die teilweise unabhängig vom eigentlichen Plot im Raum stehen und die Handlung unterbrechen anstatt diese voranzutreiben. Diese Szenen sind exzellent recherchiert und auch interessant, aber in dieser gewaltigen Fülle und Detailverliebtheit, wie sie in "Black Bottom" vorkommen, wären sie mir sogar in einem eindeutig als "Historischen Roman" ausgewiesenem Buch zu viel. Dennoch sind diese - neben den Jazzmusikszenen - eindeutig die Stärken des Buches, weswegen ich es dennoch (wenn auch eingeschränkt) empfehlen kann.

Vielleicht könnte der Verlag ja Band 2 - dieses Buch soll nämlich der Auftakt einer Krimireihe sein - als "Historischen Kriminalroman" einordnen? Dann ginge man auf jeden Fall mit anderen Erwartungen an die Sache heran.
 

Fazit
Obwohl dieses Buch mir persönlich leider nicht viel Spaß beim Lesen bereitet hat, sollten Jazzfreunde und Geschichtsinteressierte ihm eine Chance geben. Mein Tipp: die ersten zwei Kapitel (bis Seite 20) anlesen, um ein Gefühl für Schreibstil und Sprache zu bekommen. Wer damit klar kommt und wem die Krimihandlung nicht wichtig ist, dem wird das Buch sicherlich mehr Spaß machen als mir.