Rezension

Kinder an die Macht

Die Kinderhexe - Roman Rausch

Die Kinderhexe
von Roman Rausch

Bewertet mit 3 Sternen

Wer denkt jemals über Kinder im Mittelalter nach? Ritter, Gaukler, Huren, Pilger, Päpste, Baumeister, es gibt kaum eine Bevölkerungsschicht, über die man nicht schon mal ein Buch gelesen hat, aber Kinder? Was passiert mit ihnen, wenn die Pest Eltern und Familie dahingerafft hat, wenn der Hexenwahn um sich greift und Mutter, Vater, Großeltern und vorsichtshalber gleich auch noch die Nachbarn verbrannt werden?

Roman Rausch hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt und eine fesselnde und bestürzende Geschichte daraus ersonnen. 
Die Zustände in Würzburg sind 1629 grauenhaft. Hinter jedem Busch wittert man Hexen, gerne wird auch mal ein unliebsamer Konkurrent denunziert. Kaum ertönt das Wort „Hexe“ schlagen die Büttel zu. Die Verurteilung erfolgt dann zügig und unausweichlich, kann man doch das Vermögen des Verurteilten beschlagnahmen, sehr praktisch.
Inzwischen leben scharenweise elternlose Kinder im Untergrund, die sich zu Banden zusammenschließen und dankbar auf den Zug aufspringen, als die ersten Kinder erfolgreich ihre erwachsenen Widersacher denunzieren. Eigentlich zählt eine Kindermeinung nicht, aber wenn sich mehrere zu Wort melden…

So weit hat mir das Buch sehr gefallen. Die Situation der Kinder, die Wechselwirkung zwischen Habgier und Hexenwahn werden spannend und nachvollziehbar dargestellt. Nur Kathi, die 10jährige Hauptprotagonistin, wird im Verlauf des Buches immer unglaubwürdiger, geradezu überheroisch, und das hat mir ein wenig den Spaß daran verdorben. Wenn dann noch der Rabe Kolk eigene Kapitel bekommt, weil Raben so schön gruselig den Teufel beherbergen, dann rutscht die Atmosphäre ins Schauermärchenhafte und man fragt sich: Was lese ich hier eigentlich? Ronja Räubertochter? 

Ich habe länger überlegt, wie ich das bewerte. Das Buch liest sich leicht, ist schön geschrieben und auch spannend, das Thema ist großartig. Als Jugendbuch hätte es fünf Sterne verdient.
Aber so war es mir dann doch etwas zu märchenhaft.