Rezension

Keine leichte Kost

Das Erbe der Vogelmenschen
von Federica de Cesco

Bewertet mit 4 Sternen

Schon als Kind habe ich die Bücher von Federico de Cesco verschlungen. Ihr gelang es immer spielend, mich mit ihren Geschichten zu faszinieren und in andere Welten zu entführen. „Das Erbe der Vogelmenschen“ weckt unzählige Gedankengänge in meinem Kopf und ich starte mit einigen Erwartungen in die Story. 

Zur Handlung:
Leo erfährt auf unorthodoxe Manier von ihrer Herkunft und der hierdurch einhergehenden Bestimmung. Damit kann sie zunächst nicht umgehen und wozu gewisse Fähigkeiten in der heutigen Zeit nutze sein sollen und wie diese aussehen, hat sie keinen Schimmer. 

Die Figuren:
Leo wohnt mit ihrem Vater am Genfer See. Sie studiert in Lausanne Archäologie. Ihr Vater ist ebenfalls Archäologe. Leo ist fokussiert und hinterfragt ihr Leben lang alles. Blitzgescheit und mit der Weisheit eines alten Menschen ausgestattet, wirkt sie auf ihr Umfeld oft befremdlich. 

Neben Leo sind alle weiteren Figuren wichtige Nebenfiguren. Da ist Kenan, ein britischer Student der Panflöte spielt und eine Begabung fürs Malen besitzt. Leos Großmutter, Katja, erinnert mich an Vics Urgroßmutter, Poupette, aus La Boum. Sie ist mindestens so exaltiert wie diese alte Dame und schenkt mir einige Lacher.

Zur Umsetzung:
Die Handlung setzt an Leos 20. Geburtstag ein und nimmt mich mit. Leo bekommt von ihrer Großmutter einen Türkis geschenkt, dem sie einen Namen geben muss. Ich habe lange überlegt, welchen er bekommen wird. Am Ende benennt sie ihn und ich habe einen Kloß im Hals und wünsche mir, es hätte ein anderer sein dürfen. Doch alles kommt, wie es kommen muss. 

Das Sprachbild ist überwiegend distinguiert und der Schreibstil wechselt von passiv zu aktiv, was sich prima ergänzt. In diesem Buch steckt alles, was ich nicht eine Sekunde erwartet habe. Die Liebesgeschichte, die sich zart zwischen Kenan und Leo anbahnt, steht dabei in hinterer Reihe. Den Vordergrund nehmen Fakten grausamer Schicksale, erdachte Vergangenheiten und Weisheiten ein. Es liest sich rau, direkt, poetisch, prägnant und ohne einen Hauch von Kitsch. Die Erzählform ist von einer Eloquenz geprägt, die es mir manchmal schwer macht, ihr zu lauschen. Es ist zu authentisch und ich fühle mich nicht immer wohl dabei. 

Ausgrabungen finde ich schon immer aufregend und hier komme ich voll auf meine Kosten. Ich habe Geschichtsunterricht auf spannungsvolle Art erhalten und jedes Wort davon verschlungen. Philosophische Gedanken über Religionen fließen ebenso hinein, wie die Verbrechen, die im Namen verschiedenster Glaubensrichtungen verübt wurden und immer noch werden. 

Schwere Kost auf hohem Niveau umgesetzt. Alles ist erstklassig recherchiert und de Cesco schickt mir immer wieder eine Gänsehaut über den Rücken. 

Was mir weniger gefällt:
Eindeutig zu kurz kommen mir die Emotionen zwischen den Figuren. Sie sind alle zu abgeklärt und geben keinen Zentimeter mehr als nötig von sich preis. In manchen Momenten distanziert sich de Cesco mit ihrer Erzählstimme, was unter Umständen der Schwere der Thematik geschuldet ist. 

Mein Fazit:
„Das Erbe der Vogelmenschen“ behandelt brandheiße Themen über unterdrückte Minderheiten, den Gräueltaten an ihnen und die latente Gefahr von Islamisten, die gegenwärtiger denn je ist. Mittendrin steckt Leo, eine junge Frau, auf der Suche nach ihren Wurzeln. Federico de Cesco verpackt eine kleine Lovestory in jeder Menge historischer Geschichte, aktuellem Zeitgeschehen und kostbaren Erkenntnissen. Der Spagat zwischen Vergangenem und dem Jetzt ist ihr prima gelungen.

Von mir erhält das Buch 4 markante Sterne von 5 und eine absolute Leseempfehlung.