Rezension

Kein klassischer Krimi, sondern ein kleines Juwel unter den Kriminalromanen

Schattenleben - Christine Sylvester

Schattenleben
von Christine Sylvester

Bewertet mit 5 Sternen

# erster Satz #
Rico König fröstelte, denn es war frisch für September, und die Standheizung hatte sich schon wieder verabschiedet.
# Inhalt #
Die letzten Tage vor ihrer ersten großen Ausstellung hat sich die Künstlerin Emma anders vorgestellt. Völlig unerwartet stirbt ihre geliebte Großtante Meta. Die liebevolle Großtante sorgte in Emmas Kindheit für sie und war auch später Emmas engste Vertraute. Der Verlust scheint unendlich, umso mehr freut sich die junge Frau über die Entdeckung der Tagebücher ihrer Großtante. Doch der Einblick in Metas Leben ist ungewöhnlich. So beginnt es schon in ihrer Kindheit und Emma erlebt nun die Ängste und Sorgen eines Kindes während der NS-Zeit: Sirenen, Bomben, Nächte im Luftschutzkeller. Gemeinsam mit ihrem guten Freund Lazlo liest Emma die traurigen Erlebnisse ihrer Großtante. Sie kann dank Metas Aufzeichnungen und Lazlos Anwesenheit die Zeit vergessen, aber der Tag der Beisetzung musste trotzdem kommen. Emma macht sich auf alles gefasst, mit der Unterbrechung durch die Staatsanwaltschaft konnte aber auch sie nicht rechnen. Der Leichnam wird beschlagnahmt. Es bestehen Zweifel an einem natürlichen Tod! Über diesen Schock können zunächst nur die Tagebücher hinwegtrösten, aber je weiter Emma in Metas Leben eintaucht, desto mehr muss sie erkennen, wie fremd Meta ihr eigentlich ist und die Tagebücher mehr als nur die Sammlung alltägliche Gedanken sind. Waren sie der Grund für den Mord an Meta?
# Zitat #
„Wie ein Stein, der endlich wieder im eigenen Moosbett angekommen ist.“
# mein Eindruck #
Ich habe etwas anderes erwartet. Der Satz kann viel bedeuten. Was habe ich bei „Schattenleben“ erwartet? Mir wurde das Buch ohne große Worte empfohlen, schlicht und sinngemäß „Ein gutes Buch, musst du lesen“. Gesagt, gekauft und nach einiger Zeit auf die Leseliste gerutscht. Ich hatte Lust auf einen Krimi und erwartete einen Regionalkrimi aus Dresden. Was habe ich statt dessen bekommen? Einen Krimi, wie ich ihn noch nie gelesen habe. Brillant durchdacht, außergewöhnlich geschrieben. Viele Teile des Romans bestehen aus den Tagebüchern der Großtante und ich konnte während des Lesens nicht entscheiden, was mich mehr interessierte: die Vergangenheit oder das aktuelle Geschehen. Die Tagebücher waren so intensiv und realistisch geschrieben – Gänsehaut und Tränen waren fast vorbestimmt. Dazu habe ich so viel gelernt! Ich gebe zu, dass die Geschichte der DDR in meiner Schule nicht so recht existierte und ich selbst zu Zeit der Wende einfach noch zu jung war. Deshalb gab es hier noch gratis Geschichtsunterricht mit hohem Unterhaltungswert.
Kein klassischer Krimi, sondern ein kleines Juwel unter den Kriminalromanen. Es hat mich sehr gut unterhalten, unterrichtet und dann noch mit meinen Gefühlen gespielt. Eindeutige Leseempfehlung und keine Angst: es ist kein Regionalkrimi ^^