Rezension

Interessante, etwas farblose Version des Frankenstein-Themas

Die Auslöschung der Mary Shelley - Marc Buhl

Die Auslöschung der Mary Shelley
von Marc Buhl

Bewertet mit 3 Sternen

Sie wollte eine übergeordnete Instanz, um die Welt zu retten und die Unschuldigen vor den skrupellosen Mächtigen zu beschützen.
Doch schnell muss sie sich fragen. ob sie nicht ein Monster erschaffen hat.

 Mary Shelley ist eine engagierte Biologin und begabte Programmiererin. Nur wenige ahnen, dass sie beides miteinander verbindet, um in weltbewegendes Ziel zu verfolgen: Eine künstliche Intelligenz ins Leben zu rufen, die Kriminalität aufdecken und Verbrecher in ihre Schranken weisen soll.
Als sie endlich ihre Idee in die Realität umsetzen kann, scheint zuerst alles nach Plan zu verlaufen und ihr Vorhaben on Erfolg gekrönt zu sein. Doch dann geschieht der erste Mord unter ihren Kollegen und sie muss zu ihrem Schrecken erkennen, dass sie längst die Kontrolle verloren hat. Und ein Eingreifen wird nicht mehr geduldet, sodass sie bald von der Schöpferin zur Gejagten wird.

 

Obwohl der Grundplot rund um das Monster, das man erschafft und schließlich nicht mehr unter Kontrolle hat, nicht neu ist, versprach ich mir von dem Roman einiges. In Grundzügen wurde diese Erwartung auch erfüllt, nur eben nicht vollständig.
Das lag zu einem guten Teil mit an den Figuren. Ich will nicht behaupten, dass die Hauptcharaktere nicht gut durchdacht gewesen wären oder keinerlei Tiefe besessen hätten. Denn das wäre gelogen. Gerade Mary hat sehr nachvollziehbare Gründe für ihre Handeln und ihre Besessenheit, die Welt zu einem sicheren Ort zu machen. Trotzdem bleibt sie in ihrer Darstellung so unnahbar, dass man sich kaum in sie hineinfühlen kann.
Dasselbe gilt auch für alle übrigen Protagonisten, vor allem weil ich hier das Gefühl hatte, dass viel Potential sinnlos verschwendet wurde. Eine Ausnahme bildet da Victor, bei dem diese Distanziertheit durchaus Sinn macht. Außerdem halte ich die vielen Leichen und das unnötige und absolut unpassende Ableben einiger interessanter Personen für nicht sonderlich gelungen, zumal ich bei den Sterbeszenen kaum etwas empfinden konnte. Dennoch hat man nicht nur bloße Stereotypen vor sich, was ich dem Autor bei seiner Gestaltung zugute rechne.

 Der Schreibstil passt sehr gut zu dem Plot des Supercomputers, der zur tödlichen Waffe wird, nachdem er ein eigenes Bewusstsein entwickelt: Häufige kurze, knappe Sätze, die sich meist darauf beschränken, die Szenerie der vorgestellten Welt rein sachlich zu beschreiben. Die so heraufbeschworene Atmosphäre hat daher etwas Steriles, Kaltes an sich, was aber die Bedrohung durch die künstliche Intelligenz noch greifbarer macht. Dadurch gewinnt die Handlung einiges an Spannung und überrascht durch mehrere ungeahnte Wendungen. Manche Szenen, besonders diejenigen, in denen Victor in Aktion tritt, wissen so zu fesseln und üben eine solche kühle Faszination aus, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Unterlegt mit versteckten und ganz offenen Anspielungen und witzigen Vergleichen aus dem IT-Bereich kann der Roman in dieser Hinsicht voll überzeugen.
Nur leider sorgen abrupte Perspektivenwechsel und die Längen zwischendurch für Verwirrung und Langeweile, was die Lesefreude erheblich trübt. Der Showdown am Ende wirkt zusätzlich unglaublich übertrieben und lediglich der unerwartete Schluss kann das ein Stück weit positiv aufwiegen.

 

Die Auslöschung der Mary Shelley zu beurteilen, ist nicht gerade einfach, denn im Großen und Ganzen handelt es sich bei dem Werk von Marc Buhl um einen spannenden Hightech-Roman. Die Figuren bieten allesamt interessante Ansätze, Mary und Victor können sogar mit einer gewissen Tiefe ihres Wesens begeistern. Der Plot ist interessant und wendungsreich umgesetzt und von einem dazu passenden Schreibstil toll unterstützt.
Dennoch verschenkt der Autor einiges an Potential: Das Schicksal der Protagonisten geht einem kaum nahe, selbst wenn sie dramatisch getötet werden, meiner Meinung nach unnötige Perspektivenwechsel sorgen für Verwirrung und die Handlung weiß nicht durchgehend zu fesseln und zu unterhalten.
Wer Geschichten rund um eine künstliche Intelligenz liebt, die zur Bedrohung wird, gerne Thriller aus dem IT-Bereich liest und den unnahbare Charaktere nicht stören, für den ist dieses Buch sehr gut geeignet.