Rezension

Interessante Einblicke in das China der 1920/30er-Jahre, leider nicht mein Schreibstil

Ich war das Jadekind - Marion Schiffler

Ich war das Jadekind
von Marion Schiffler

Bewertet mit 2.5 Sternen

Zum Inhalt

Marion Schiffler wird 1924 in Kanton geboren, wo ihr Vater für den deutschen Großkonzern I.G. Farben (BASF) die Geschäfte in China betreut. Inmitten der Kolonialkultur wächst sie wohlbehütet in einer Villa mit Hausangestellten auf, sucht jedoch auch dank ihrer weltoffenen Eltern stets den Kontakt zu den Einheimischen. Sie freundet sich mit ihnen an und entwickelt eine unbändige Liebe zu ihrem Geburtsland, seinen Bräuchen und Traditionen.

Nach Ausbruch des japanisch-chinesischen Konflikts kehrt die Familie 1938 Hals über Kopf nach Europa zurück, wo Marion Schiffler den zweiten Weltkrieg erlebt und später in Meran als Lehrerin sesshaft wird.

Meine Meinung

„Ich war das Jadekind. Meine Kindheit in China bis 1938“ ist ein weiterer Band aus der faszinierenden Buchreihe Memoria – Erinnerungen an das 20. Jahrhundert“.

Die Autorin Marion Schiffler war Lehrerin und später Direktorin an Oberschulen, und ihre hohe Bildung merkt man bei jedem Wort. Sie schreibt sehr anspruchsvoll und schmückt ständig mit zahlreichen Metaphern und bildlichen Umschreibungen aus. (Z. B. „Aus den schweigenden Gegenden tauchten beredte nackte Berghänge auf von einer Färbung wie alte Bronze.“ oder „Ein wirkliches und wahrhaftiges Pandämonium entfesselte der mörderische Taifun, der Monstersturm, welcher im Spätsommer mit einer Elementargewalt und einem Furor über die Meere raste...“,).

Anfänglich trug dies noch zur Anschaulichkeit des Landes und der Menschen bei, doch irgendwann fing ich an, diesen Schreibstil zu fürchten. Diese permanente Demonstration der Eloquenz empfand ich als sehr ermüdend. Die Erzählungen, die mich wirklich interessierten (Persönliche Begebenheiten, Erlebnisse mit der chinesischen Bevölkerung u. Ä.) waren so in diese Ausschweifungen eingebettet, dass ich das Gefühl hatte, ich müsste sie suchen und rauspicken. Dies führte dazu, dass ich das Buch ständig weglegte und zwischendurch andere Bücher las. Selten habe ich für ein Buch mit knapp 250 Seiten so lange gebraucht

Auch fehlte mir ein roter Faden. Die Kapitel sind teilweise recht kurz und erzählen irgendeine Begebenheit oder bestehen aus ausschweifenden Beschreibungen. Doch meist wusste ich nicht, in welchem Jahr wir uns nun befinden, so dass das ganze Buch durcheinandergewürfelt wirkte. Dies besserte sich später etwas, als Marion Schiffler nach Europa zurückkehrte.

Auf der einen Seite finde ich ihre große Liebe zu China ja sehr rührend, aber irgendwann nervte mich die Autorin dann doch mit ihrem ewigen „China ist das Maß aller Dinge, Europa und v. a. Deutschland sind so barbarisch.“-Getue. Überhaupt blieb sie mir sowieso die ganze Zeit fremd, teilweise sogar unsympathisch. Sie ist nicht direkt arrogant, behandelt die Hausangestellten und einfachen Einheimischen auch sehr respektvoll, aber man merkt einfach, dass sie sehr privilegiert war.

Es folgt noch im Anhang eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Autobiographie durch Thoralf Klein, in der u. a. historische Ereignisse noch einmal etwas genauer ausgeführt wurden. Bis dahin war mir die Puste schon längst ausgegangen, so dass ich auch daran keine Freude hatte.

Es gibt über 80 Fußnoten, die erwähnte Personen, historische Ereignissen o. Ä. im Anhang weiter ausführen. Generell begrüße ich solche Ausführungen, die nicht den Schreibfluss stören und deshalb als Fußnote vermerkt werden. Aber hier hat es mich gestört, dass ich jedes Mal erst nach hinten blättern musste. Ich bin ein Freund von Fußnoten unter dem Text. Aber das ist halt Geschmackssache. Ob allerdings ältere Leser mit der winzig-kleinen Schriftgröße der Fußnoten ihre Freude haben, daran zweifle ich.

Eine Autobiographie, die mich leider nicht fesseln konnte. Es tut mir auch wirklich leid, dass ich mit Marion Schifflers Biographie nicht so richtig warm wurde, denn sie bietet hier durchaus spannende Einblicke in das China vor dem Kommunismus. Und es mag vielleicht Leute geben, die den Sprachstil toll finden, weil er sehr ausschmückend ist. Man muss das aber mögen, und ich mochte es einfach nicht. Das ist natürlich schade, da mir so die Lust am Lesen verging und ich vielleicht die ein oder andere interessante Stelle eher lustlos heruntergelesen habe, statt mich auf die Erzählungen voll und ganz einzulassen.

Schön anzusehen sind aber auf jeden Fall die zahlreichen s/w-Fotos, die Marion Schifflers Erzählungen anschaulicher machen und das Buch auf jeden Fall nochmal aufwerten.

„Ich war das Jadekind“ kann ich ungeachtet des gewöhnungsbedürftigen Schreibstils aber auf jeden Fall all denen ans Herz legen, die sich für dieses Land interessieren und wissen möchten, wie deutsche Expats in den 1930er Jahren in China lebten, arbeiteten und reisten.