Rezension

Informativ – aber leider nicht zauberhaft

Michael Ende - Birgit Dankert

Michael Ende
von Birgit Dankert

Bewertet mit 3.5 Sternen

»Mit wenigen Texten war er für zwanzig Jahre einer der meistgelesenen Autoren der Bundesrepublik Deutschland. Er hat für die Kinder- und Jugendliteratur Deutschlands ein literarisches und gesellschaftspolitisches Terrain erobert, das erfolgreich ausgebaut werden konnte. … Seine Geschichte, wie sie für seine Lebenszeit in Deutschland von der Weimarer Republik bis zur deutschen Wiedervereinigung, aber doch für nichts und niemanden als ihn selber steht und nur seinen Namen trägt, soll hier erzählt werden. Er ist der Autor von „Jim Knopf“, „Momo“ und der „Unendlichen Geschichte“.«

Dieses Buch hat mich beim Lesen durch ein Wechselbad der Gefühle geschickt. Mit großem Interesse habe ich viele neue Informationen aufgenommen und noch unbekannte Texte Endes in Auszügen entdeckt – aber ich habe mich auch geärgert, mich mehr als einmal durch einen Textabschnitt gequält.

Im Klappentext war zu lesen: „Birgit Dankert ist ein einfühlsames Porträt gelungen, das uns Michael Ende so nahe bringt wie nie zu vor.“ Gewöhnlich gebe ich nicht viel auf Klappentexte, aber diesmal hätte ich mich besser gründlich informieren sollen, bevor ich mich für das Buch bewarb. Aber der Name „Michael Ende“ löste bei mir sofort eine Gedankenkette aus, ich sah mich als junges Mädchen, träumend vor der „Unendlichen Geschichte“, mir fiel der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch ein, ich kringelte mich vor Lachen und versuchte wieder einmal, das Wort unfallfrei auszusprechen. Ich erinnerte mich an den Zauber von „Momo“ und war – in Verbindung mit dem Klappentext – sofort davon überzeugt, dass mich dieses Buch genauso verzaubern würde. Leider tat es das nicht.

 

Ich glaube, dass mich außerdem das Wort „Biographie“ in die Irre führte. Das Wort ist für mich gleichbedeutend mit etwas Lebendigem, befasst es sich doch mit dem Leben eines ganz bestimmten Menschen. Es wäre ungerecht zu sagen, dass es dies in diesem Fall nicht tut, denn das Leben Endes wird von frühester Kindheit an verfolgt, seine frühen Jahre, seine Erfolgsphase, Krankheit und Tod werden beschrieben. Nein, es ist die Art und Weise, wie dies geschieht.

Die Autorin hat ohne Zweifel gründlich recherchiert. Mein Eindruck ist, dass – was die reine Faktenlage angeht – vermutlich nichts fehlt. Aber streckenweise kam mir das Buch vor wie eine einzige große literaturwissenschaftliche Erörterung, gespickt mit Fremdwörtern und gewandet in Schachtelsätze, die das Lesen für den nicht Studierten anstrengend machen können. Wie es sich für eine ordentliche wissenschaftliche Arbeit gehört, führt Frau Dankert viele Quellen auf, bringt Zitate, Textauszüge aus Büchern, Briefen oder Interviews. Das ist zweifelsfrei gründlich, bremst aber den Lesefluss ebenfalls aus.

Ich habe mir überlegt, welche Leser zu diesem Buch greifen würden. Ich vermute, dass nicht wenige – so wie ich – rein aus ihrer Erinnerung an schöne Lesestunden in Phantasien zugreifen würden. Und darunter werden ebenfalls nicht wenige sein, die beim Lesen schlicht überfordert sein werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass so mancher Leser das Buch im Laden in die Hand nimmt, in die ersten Seiten reinliest und es entmutigt - ob der vielen Fremdwörter und Schachtelsätze - wieder weglegt.

 

Gut, wenn man sich durch den Text kämpft, kann man vieles Interessante entdecken. Endes Lebensgeschichte ist zweifelsfrei faszinierend! Die Kindheit eines phantasiebegabten Kindes in NS-Zeiten, sein Elternhaus und der Künstler-Vater, seine Startschwierigkeiten als Autor, die viele Kritik, die er erfahren musste, die vielen Auseinandersetzungen, denen er sich zu stellen hatte – ein Mann, der viel Anerkennung aber auch viel Ablehnung erfahren durfte bzw. musste. Differenziert wird auch sein Charakter angegangen, der Leser muss sich darauf gefasst machen, nicht nur Positives über Ende zu erfahren.

Die Textauszüge aus seinen bekannten und weniger bekannten Werken und die Vorstellung einiger seiner Gedichte haben mir ebenfalls gut gefallen. Im Grunde waren auch die Interviews und Briefwechsel interessant, aber für mein Empfinden wäre etwas weniger hier mehr gewesen. Von dem privaten Menschen Michael Ende hätte ich hingegen gerne mehr erfahren. Beispiel: Ende hatte eine  schwer kranke Frau, die dann auch irgendwann stirbt. Sie hat ihm über viele Jahre zur Seite gestanden, mit ihm gearbeitet, sich selbst mit in sein Werk gelegt und nun stirbt sie und im Buch wird dies nur mit einem sehr geringen Umfang bedacht. Was soll ich daraus schlussfolgern? Die eine Möglichkeit ist, dass es der Autorin primär um die literarische Auseinandersetzung mit Endes Werk ging und weniger um den Menschen. Die andere Möglichkeit wäre, dass diese Priorität auch so in Endes Leben bestand. Ich weiß nicht, was mir lieber sein soll...

 

Und dann das Kapitel zur „Unendlichen Geschichte“, einem meiner absoluten Lieblingsbücher! Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte, aber ganz sicher hatte ich nicht damit gerechnet, so viele literaturwissenschaftliche Kontroversen vorgelegt zu bekommen. Gut, sie gehörten zu Endes Leben, haben ihn in einem nicht unerheblichen Zeitraum seines Lebens stark beschäftigt, aber es ist so furchtbar trocken, so - in meinen Augen - abschreckend nüchtern sachlich zu lesen... Wo bleibt da mein Phantasien? Es wurde in Grund und Boden diskutiert.

 

Fazit: Sehr interessant und umfassend - aber nicht leicht zu lesen. Vor dem Kauf unbedingt reinlesen und feststellen, ob man mit dem Stil klarkommt! Von mir leider nur 3,5 Sterne für dieses Buch.