Rezension

In der Hoffnung leben

Der Mann, der das Glück bringt - Catalin D. Florescu

Der Mann, der das Glück bringt
von Catalin D. Florescu

Bewertet mit 5 Sternen

Zwei Familiengeschichten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem begegnen sich Ray und Elena eines Nachts in New York. Durch sie kehrt man zurück in das Jahr 1900 als New York ein brodelnder Kessel aus Hoffnung, Wut und Verzweiflung ist. Ein namenloser Zeitungsjunge kämpft ums tägliche Überleben. Zur gleichen Zeit im fernen rumänischen Donaudelta wächst Elena auf, deren Leben als Fischerstochter schon gezeichnet scheint. Sie träumt davon auszuwandern. Doch bis es dazu kommt, ist es ein langer Weg.

Catalin Dorian Florescu zeichnet ein gefühlvoller Schreibstil aus, der einen ganzen Strauß voller Bilder zaubert. Die beiden Erzählstimmen nehmen den Leser an die Hand und zeigen ihm ihre  Welt. Obwohl der Roman an zwei völlig unterschiedlichen Schauplätzen spielt, gelingt es dem Autor durch die Intensität der Sprache eine Verbindung zu schaffen. Man hört das Rauschen des Wassers und die Rufe der Vögel im Donaudelta genauso wie das Stimmengewirr im New Yorker Emigrantenghetto.

Anfang des 19. Jahrhunderts ist der Tod allgegenwärtig, ein ständiger Begleiter, der allzu oft als Sieger aus vielen verzweifelten Kämpfen hervorgeht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Fischer im Donaudelta am Tag der Geburt seiner Tochter schon einen Sarg gezimmert hat, um ihre Leiche zu begraben. Doch das Schicksal entscheidet sich für Elena. Gefangen am Ende der Welt ohne Hoffnung auf ein erfülltes Leben, träumt sie von Amerika.

Tief bewegt hat mich die Schilderung des Lebens in New York. Entwurzelte Auswanderer, die sich ihr Glück erhofft haben, stolpern wie rastlose Seelen durch die Stadt. Der kleine Zeitungsjunge kennt weder Eltern, noch das Land, aus dem er stammt. Er erfindet sich selbst und meint, vom Mond gefallen zu sein. Mal spielt er den jüdischen Jungen, mal einen italienischen Auswanderer, so wie die Situation es gerade erfordert. Sein Ziel, eines Tages ein großer Sänger zu werden, treibt ihn an.

"Auf einer Seite, am Hudson River, kamen die Lebenden an; auf der anderen, am East River, verließen die Toten die Stadt. Die Toten und die Lebenden bekamen einander niemals zu Gesicht. Sie wussten nichts voneinander, sie trafen sich nie, aber sie nährten den ewigen Kreislauf des Lebens."

Erst am Ende des Romans im Jahr 2001 erhalten die Erzählstimmen eine Gestalt. Ray und Elena, die sich in einer unwirklichen Situation begegnen und die Vergangenheit ihrer Familien revue passieren lassen. Hier ist ein leichter Bruch in der Erzählung zu spüren. Die Vergangenheit wird intensiv und eindringlich geschildert und der Gegenwart wenig Zeit gelassen. Der Zauber der Geschichte geht durch die Schnelligkeit der Ereignisse ein wenig verloren.

Dieser Roman verzaubert durch eine Intensität an Gefühlen, die selten beim Lesen entstehen.