Rezension

Illustrierte Recherche

Narrenleben - Hans Joachim Schädlich

Narrenleben
von Hans Joachim Schädlich

Bewertet mit 2 Sternen

Mag sein, dass ich dieses Buch unter falschen Voraussetzungen begonnen habe. Ich dachte, ich lese einen spaßigen historischen Roman über den ein oder anderen Hofnarren. Bis zu Seite 10 habe ich mich auch amüsiert, dann war der Spaß vorbei.

Wenn zunächst Joseph Fröhlich erzählt, wie er zum kurfürstlich-königlichen Taschenspieler und Lustigen Rat am Hof Augusts des Starken in Dresden wurde, obwohl er eigentlich Müller ist, dann ist die Geschichte noch ganz amüsant und aufschlussreich, birgt sie doch viele spaßige Episoden vom Leben bei Hofe. Dann beginnt allerdings eine wahre Schlacht von Namen und Daten. Man weiß bisweilen kaum noch, von wem denn gerade die Rede ist, während man versucht, seine Familie zu verdauen.

„Friedrich August I., genannt der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, setzte alles dran, Dresden zu einer europäischen Metropole zu machen. 
Künstler und Naturforscher von Rang wie die Baumeister Matthäus Daniel Pöppelmann, Johannb Friedrich Karcher, Zacharias Longuelune, Johann Gottfried Fehre, Johann Christian Knöffel, George Bähr, die Bildhauer Balthasar Permoser, Benjamin Thomae, Johann Joachim Kändler, Johann Christian Kirchner, der Juwelier Johann Melchior Dinglinger, die Forscher Johann Friedrich Böttger und Walther von Tschirnhaus standen im Dienst des Dresdner Hofes. 
Sie ließen sich von August zu einzigartigen Leistungen anregen.
Der Bau des Zwingers unter der Leitung von Pöppelmann und Permoser…“ es geht noch eine Weile so weiter.

„Hans Joachim Schädlich ist einer der ganz Großen in der zeitgenössischen deutschen Literatur. (Die Zeit)“ 
Tja…

Hier hat ganz sicher jemand seine Hausaufgaben gemacht. Solche Expertisen sind wahrscheinlich hoch interessant für Historiker, die sich mit August dem Starken beschäftigen und ein bisschen Unterhaltung zwischendurch möchten. Aber ein historischer Roman ist das nicht, eher ein Sachbuch.
Zeitweise habe ich mir vorgestellt, ich nehme an einer Schlossführung teil und bekomme Anekdoten zu den Ausstellungsstücken erzählt. Dagegen spricht nichts, ich mag das sehr gerne. Nur sollte man mir den Ausstellungskatalog nicht als Roman verkaufen.

17 Jahre nach Fröhlichs Tod (am 24. Juni 1757) taucht dann ein Skript auf in dem Peter Posch, ein fahrender Händler, sein Leben erzählt. Hier ändert sich der Erzählstil komplett.

„Ein hübsches Mädchen, das wohl so alt war wie ich, sagte: „Willst du nicht mit mir tanzen?“
Ich tanzte mit ihr.
Es war Maria Fiechtlin, die mit mir auf der Wiese beim Rübenacker gegessen hatte, als ich hungrig von Berg heruntergekommen war.
Wir gingen zusammen nach Hause.
Unterwegs versprachen wir uns, einander zu heiraten.
Bald wanderte ich nach Innsbruck. …“

„Ein Meister der Reduktion, der mit dieser Reduktion eine ungeheure Intensität erreicht. (Süddeutsche Zeitung)“
Reduziert fand ich es auch, nur die Intensität ist mir entgangen.

Dieses Buch hat mich sehr verärgert. Es stellt zwei sicherlich interessante historische Personen vor, die man aber trotzdem nicht kennenlernt. Es erzählt spannende Begebenheiten, die im Datenwust untergehen. Es ist kein Roman, keine Biographie und auch kein wirkliches Sachbuch.
Mir kommt es vor wie leicht illustrierte Recherche.