Rezension

Illies erklärt den morbiden Zauber der Romantik

Zauber der Stille -

Zauber der Stille
von Florian Illies

Es bereitet sehr viel Vergnügen, das Buch zu lesen, auch weil der große Maler als verletzlicher Mensch beschrieben wird. Das erzeugt Nähe und Verständnis. Illies hat ein einfühlsames Porträt über Friedrich geschaffen.

Ein erhellendes Buch über den Maler Caspar David Friedrich

Das Thema Tod – er verlor vorzeitig Bruder, Schwester, Vater, eines seiner Kinder sowie einen engen Künstlerfreund – zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben und die Gemälde des Malers Caspar David Friedrich (*1774 Greifswald– 1840 Dresden), den ich nicht zu meinen Lieblingsmalern zählen würde. Allerdings gelingt es Florian Illies in seinem Buch Zauber der Stille, bei Fischer erschienen, dass ich dem Maler der Romantik meine gesteigerte Aufmerksamkeit schenke. Dass er mir den Mann mit dem Hang zur Melancholie näher bringt. Da ich die vorigen Bücher 1913 und Liebe in Zeiten des Hasses verschlungen habe, widme ich mich auch diesem Werk aus der Feder Illies und noch einigen Nachforschungen. Das Buch liest sich wie ein literarisches Kaleidoskop. Die Ereignisse sind nach Themen zusammengestellt und nicht chronologisch geordnet.

Der Tod seiner Schwester und der des Vaters treffen Friedrich schwer. Unter dem Eindruck des Schmerzes entstehen die Bilder: Der Mönch am Meer und Abtei im Eichwald. Heinrich von Kleist bespricht die beiden Bilder wohlwollend und macht so diese einem breiteren Publikum bekannt. Illies nennt das Bild Mönch am Meer das kühnste Bild Friedrichs überhaupt. Nach vielen Monaten Arbeit hat Friedrich es auf das Wesentliche reduziert. Man sieht viel Meer und noch mehr Himmel und winzig klein eine Gestalt. Damit will der streng gläubige Friedrich sein Zweifeln an Gott und die Hilflosigkeit des Menschen künstlerisch darstellen. Der Autor sieht in dem Bild gar den Anfang der abstrakten Malerei.

Auch wenn die starken Traueremotionen in den intuitiv gemalt wirkenden Bildern Friedrichs vermehrt Niederschlag finden, hat Friedrich seine Bilder geometrisch konstruiert. Alles, was er in der Natur entdeckt, zeichnet er naturgetreu und verwendet es in seinen collagenartig zusammengesetzten Gemälden nur als gestalterisches Element. Als Napoleon anrückt, geht Friedrich in die Wälder und beginnt, akribisch Tannennadeln zu zeichnen, um die Ereignisse gedanklich mit dem Stift verarbeiten zu können. Trotz aller Zweifel sieht Friedrich in jedem Stein und Ast Gott. Deshalb existiert vielleicht neben der Schwermut auch immer wieder eine erstaunliche Leichtigkeit, die der Maler in den Bildern mit viel Himmel ausdrückt. Eine Verklärtheit wird dort sichtbar, die zu den düsteren Nebelbildern kaum passt.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – dieses Goethe-Zitat kann die Gefühle von Menschen, die an bipolarer Störung erkrankt sind, beschreiben. Früher wurde die Krankheit als manisch-depressiv bezeichnet. Vielleicht ist Friedrich so einer, aber auch zudem ein guter Dokumentarist der Atmosphäre, die nach dem Jahr ohne Sommer herrschte, den Klimaforscher später auf den Ausbruch des Vulkans Tambor im heutigen Indonesien zurückführen. In dem aufgrund dessen kalten, trüben und nassen Folgejahr 1818 heiratet er die viel jüngere Line Bommer, die Tochter eines Blaufärbers. Im Sommer 1818 unternehmen die beiden ihre Hochzeitsreise mit dem Boot, die er bildlich verewigt und die mit diesem Gemälde auf dem Cover des Buches abgebildet ist.

Aufgeteilt ist das Buch in vier Bereiche, und zwar in die der Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Es geht am Anfang um das Begeisterungsfeuer Friedrichs, das ihn als Maler antreibt. Und vor allem um die Liebe zum Wasser und den Booten, um die erste Bootstour mit seiner Frau Line, aber auch um den Unfall, bei dem der Bruder ihn, als er klein war, rettete und dabei selbst ertrank. Dieses Ereignis wird als eine Ursache für Friedrichs Depressionen benannt. Man nimmt heute verstärkt an, dass belastende Lebensereignisse, wie Trauerfälle, bei einer Veranlagung zu einer Depression führen können. Und der Vorfall wäre eine Erklärung von vielen für die düstere Stimmung und die Todessehnsucht auf einigen seiner Bilder.

Es bereitet sehr viel Vergnügen, das Buch zu lesen, auch weil der große Maler als verletzlicher Mensch beschrieben wird. Das erzeugt Nähe und Verständnis. Illies hat ein einfühlsames Porträt über Friedrich geschaffen. Der Leser lernt einen sensiblen Maler kennen, der sich oft unverstanden gefühlt haben muss, obwohl er als Pionier seiner Zeit weit voraus gewesen ist.