Rezension

Hoffnungen und Wünsche auf ein selbstbestimmtes Leben

Schwestern fürs Leben -

Schwestern fürs Leben
von Sybille Schrödter

Bewertet mit 4 Sternen

Der Patriarch des traditionsreichen Familienunternehmens Danneberg, führendes und erfolgreiches Rumhaus in Flensburg, steht nach Beendigung des Ersten Weltkriegs nicht nur vor der schwierigen Aufgabe, den Geschäftsbetrieb wieder auf das Niveau der Vorkriegszeit zurückzubringen, sondern auch vor der schwierigen Entscheidung der Geschäftsübergabe auf die nächste Generation. Der einzige Sohn, dem Krieg zum Opfer gefallen, steht außer Frage, dass keine der vier Töchter die Verantwortung für das Unternehmen übernehmen kann. Befindet man sich doch in einem Zeitabschnitt, in dem die Aufgaben von Mann und Frau klar definiert sind, wobei Frauen, die sich mehr oder weniger "trauten", verantwortungsvolle berufliche Tätigkeiten auszuüben, um eine solche Position regelrecht kämpfen mussten und nicht selten nach einer Heirat eher im Hintergrund agierten. So auch im Falle des Familienunternehmens Danneberg und die einzige Möglichkeit für die talentierte und verantwortungsbewusste Tochter Lene, nach ihrer "Zweck-Heirat" mit dem Sohn eines konkurrierenden Unternehmens und der offiziellen Übergabe der Geschäftsführung an ihren Ehemann trotzdem mitentscheiden zu können.

Aber nicht nur Lene steht vor einer schwierigen Gestaltung ihres persönlichen Lebenswegs, sondern auch ihre drei Schwestern entsprechen mit ihren Wünschen und Hoffnungen so gar nicht dem zur damaligen Klischee:

Käthe hegt den großen Wunsch, sich nicht der Erwartungshaltung an Töchter, vor allem aus der gehobenen Gesellschaftsschicht, in der gleichen Gesellschaftsschicht "erfolgreich" zu heiraten und anschließend einzig und allein für die Führung des Haushalts und Erziehung der Kinder zuständig zu sein. Käthe möchte nicht heiraten und sieht eine persönliche Berufung zur Diakonisse.

Lizie, wissbegierig und neugierig, hofft auf einen Studienplatz der Fachrichtung Medizin – nahezu undenkbar Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Nicht nur die Problematik eines Studiums sondern zudem eine reine Männerdomäne, in die für eine Frau einzubrechen ihre zusätzlichen und ganz besonderen Schwierigkeiten mit sich bringen.

Jette, die jüngste der Dannebergschwestern, mit dem heimlichen Traum, als Schauspielerin aus ihrem konservativen Elternhaus auszubrechen, rundet das Bild der völlig unterschiedlichen beruflichen Träume junger Frauen auf eine berührende Weise ab.

Die Autorin nutzt nun sehr geschickt diese so unterschiedlichen Charaktere, um in ihrem Roman die Rolle und die Probleme von Frauen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zu beschreiben und zu beleuchten. Dabei finden die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Berücksichtigung und fügen sich gemeinsam mit den Lebenswegen der fiktiven Romanfiguren zu einem gelungenen Gesamtbild dieser Zeit zusammen. Wobei die Bedeutung mehr auf die Entwicklung der Protagonisten gerichtet ist als auf die politischen Entwicklungen, die jedoch nach meiner Einschätzung ausreichend zur Sprache kommen, um deren Auswirkungen auf den Alltag der Bevölkerung einschätzen und spüren zu können.

Etwas Geduld benötigt allerdings die Vielzahl der Protagonisten. Besteht bereits die Familie Danneberg aus vielen Familienmitgliedern, nimmt die Anzahl der fiktiven Personen, auch wenn sie keine so tragenden Rollen wie die vier Schwestern einnehmen, im Laufe des Romans sehr stark zu. Dazu angebracht und bereits auf den ersten Seiten sehr gut gelöst: eine Zusammenstellung der Personen, denen im nachfolgenden Romangeschehen eine mal wichtigere Rolle, mal nur eine Nebenrolle, zufällt.

Ein interessanter und informativer Ausflug nicht nur in ein mir bisher völlig unbekannten Unternehmenszweig, sondern auch Frauenschicksale, mit denen ich mich sehr gut identifizieren konnte.