Rezension

Hochaktuell

Der Schnee war schmutzig - Georges Simenon

Der Schnee war schmutzig
von Georges Simenon

Die Verrohung der Zivilbevölkerung in Zeiten des Krieges. Ort: eine namenlose Kleinstadt irgendwo mitten in Europas

Den belgischen Autor kennt man hierzulande eigentlich nur durch seine oft verfilmten Krimis mit dem grummeligen Kommissar Maigret, der auf eigenwillige Weise seine Fälle löst, stur und unnahbar, jedoch derart unterhaltsam vom Autor beschrieben, dass es sogar für die breite Masse ein absolutes Lesevergnügen.

Vor wenige Jahren hatte der schweizerische Kampa-Verlag die Rechte am Gesamtwerk George Simenons übernommen und seinen 1948 geschriebenen und erstmals in den 70-er Jahren in Deutschland herausgebrachten Roman "Der Schnee war schmutzig" neu aufgelegt.

Es handelt sich nicht um einen Krimi, sondern um eine Kriegsroman, um die Verrohung ganz normaler Menschen in Zeiten, wo das Militär die Straßen beherrscht. Vermutlich spielt Simenon damit auf die Zeit der Besetzung Belgiens durch deutsche Truppen während des Zweiten Weltkriegs an - wobei er seine belgischen Landsleute nicht sämtlich als Engel darstellt, sondern das Abgleiten einiger von ihnen in die Kriminalität schildert, sicherlich damals kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nicht sonderlich populär, sah sich doch fast jeder in Europa damals als Opfer dar, egal welcher Nation er angehörte.

Daniel Kehlmann wurde 2018 vom Verlag um ein Vorwort gebeten. Er gibt vollkommen unvoreingenommen an das Werk heran, hatte nach eigener Aussage niemals zuvor ein Buch George Simenons in der Hand gehabt. Sein Text ist eine gute Einführung in das Werk, lesenswert - zumal Kehlmann mit "Till" einen Roman schrieb, der zur Zeit des DreißigjährigenAuch Krieges spielt, bei dem die Hälfte der Menschen Europas starben.

Hochaktuell Simenons "Der Schnee war schmutzig" jetzt in 2022. Auch der Ukraine betrifft mehr und mehr die Zivilbevölkerung. Nicht alle werden als brave Engel darauf reagieren. Krieg führt zur Verrohung von von Menschen. Wie dies ganz unmerklich geschieht, ist im Roman von 1948 eindrücklich geschildert.