Rezension

Guter Ansatz, aber es fehlt an Tiefe und Realismus

Der Kirmesmörder - Jürgen Bartsch - Regina Schleheck

Der Kirmesmörder - Jürgen Bartsch
von Regina Schleheck

Bewertet mit 3 Sternen

»Dem es wichtig war, dass die Jungen dabei Angst hätten und schrien. Dass sie bettelten, wimmerten, um Gnade flehten. Sie sollten keinesfalls geknebelt werden, er wollte ihre Schreie hören, ihre Panik genießen.«

Serienmörder erschüttern immer. Wenn ihre Opfer Kinder sind, ist das Entsetzen noch größer. Mich interessieren dabei stets die Hintergründe, Details zu den Taten und den Ermittlungen und – ganz wichtig – die Auseinandersetzung mit den Motiven des Täters. Was treibt ihn an, was legte in seinem Gehirn den Sicherungsschalter um? Hätten seine Taten verhindert werden können? Was wurde im Umfeld falsch gemacht?

 

Jürgen Bartsch entführte, quälte, missbrauchte und ermordete in den Jahren 1962 - 1966 vier Jungen. Der jüngste war gerade mal 8 Jahre alt und er selbst zu diesem Zeitpunkt auch erst 15. Dieser Punkt und der Aspekt, dass ich (geboren in den 1960er Jahren) fast in der Nachbarschaft aufwuchs, steigerten mein Interesse an diesem Buch. Ein reines Sachbuch zum Thema hatte ich bereits gelesen, nun war ich auf die Umsetzung als „biographischer Kriminalroman“ gespannt.

 

Die Autorin lässt in ihrem Buch diverse Menschen aus Jürgen Bartsch Umfeld berichten, auch seine Opfer kommen zu Wort. Das ist interessant und gibt ganz ordentliche Einblicke in Kindheit und Jugend des Täters. Auch seine Vorgehensweise, weshalb die Opfer ihm vertrauten und welch furchtbares Schicksal sie dann erwartete, wird deutlich.

 

Alles ist sehr leicht lesbar und bei den Schilderungen werden die Analysen gleich mitgeliefert. Ein Punkt, der mich manches Mal störte, speziell wenn die erzählenden Personen einfache Menschen ohne große Bildung sein sollten. Ich bin selbst in einer Arbeitergegend im Ruhrgebiet aufgewachsen – so hat da keiner gesprochen! In Sachen Realismus gab es dadurch einen dicken Punktabzug.

 

Zwei weitere Fragen stellten sich mir. Weshalb fehlen bei all diesen Berichten komplett die Perspektiven des Täters und der Ermittler? Und weshalb wurden sämtliche Namen leicht abgewandelt? Da wurde beispielsweise aus Peter Paul, aus Ulrich Uwe und aus dem Rechtsanwalt Bossi ein Herr Busse. Es steht doch „biographisch“ dran und die Geschehnisse sind öffentlich bekannt, weshalb also diese Abwandlungen? Ich frage mich dann unwillkürlich, an welchen Punkten womöglich noch abgewandelt wurde. Es wäre gut gewesen, wenn die Autorin im Anhang kurz die tatsächlichen Geschehnisse skizziert und in diesem Zusammenhang ihre Änderungen aufgeführt hätte.

 

Grundsätzlich arbeitet das Buch gut heraus, was Jürgen Bartsch in früher Kindheit alles angetan wurde. Gleichzeitig ist das Mitgefühl für seine Opfer groß, mir tun sie unendlich leid, während gleichzeitig Zorn aufkommt. Wut auf die Menschen, die durch ihr Verhalten dazu beitrugen, dass aus einem als fröhlich und unkompliziert beschriebenen Kleinkind ein menschliches Ungeheuer wurde. Sie hätten mit auf die Anklagebank gehört.

 

Fazit: Guter Ansatz, aber mir fehlt in der Umsetzung Tiefe und ein größeres Maß an Realismus. So sehr ich Krimis mag, hier lese ich besser noch ein weiteres Sachbuch.