Rezension

Große Variablilität, nicht ganz so große Wirkung.

Grand Union
von Zadie Smith

In ihrer - erstaunlicherweise - ersten Erzählungssammlung packt Zadie Smith gleich 19 Erzählungen, wie sie unterschiedlicher mitunter kaum sein könnten, auf nur 272 Seiten. Sowohl stilistisch als auch inhaltlich unkonventionelle, aber eben für mich auch qualitativ sehr variable Geschichten.

Da wird mit knallharten Variationen feministischer Sexualität gespielt, ebenso wie mit der Rache am männlichen Geschlecht durch den Verzehr von Chicken Wings, da lässt sich die britische Pauschalurlauber-Familie im "Fluss der Faulheit" treiben, eine transsexuelle Person benötigt ein neues Kleidungsstück und gerät selbst in die Falle der Vorurteile oder Michael Jackson, Marlon Brando und Elisabeth Taylor werden gerade am 11. September 2001 zusammen auf einen Roadtrip durch New York geschickt. Hier geht es definitiv wild zu. Besonders die erste Hälfte des Buches konnte mich mit den oben angerissenen Geschichten eher überzeugen als die zweite Hälfte. Zu pointenlos sind mir manchmal die dialoglastigen Erzählungen. Mitunter fraglich, was die Autorin damit überhaupt aussagen möchte, oder ob es sich um einen globalen Kommentar zur globalen Situation mit Problemen des Rassismus, Sexismus, der Elternschaft usw. in Zeiten des Brexit und unter Trump handelt. Eindeutig herauszulesen sind immer wieder die beiden Haupthandlungsorte: New York und London. Wichtige Meilensteine in Sadie Smiths eigenem Leben.

Einige Sätze sind gewohnt prägnant, tief- und hintergründig, treffen genau uns Ziel und lassen die Leser*innen ihre eigene Gedanken- und Erlebniswelt hinterfragen. So werden Milieustudien aufgemacht durch Sätze wie: "Ja, meine Schule hat einen englischen Nationalspieler und zweieinhalb Popstars hervorgebracht und Darryls Schule diesen grinsenden Irren, der gerade im Irak jemanden enthauptet hat." Oder eine massive politische wie auch ökologische Schieflage konstatiert durch die Wahrnehmung der britischen Pauschaltouristen in Spanien, die die afrikanischen Flüchtlinge Tomaten aus Plastikgewächshäusern ernten sehen und sich von ihren Frauen die Haare am Strand flechten lassen: "...die Frauen machen sich an die Arbeit. Ihre Männer sind in den Folientunnels. Die Tomaten liegen im Supermarkt. Der Mond hängt am Himmel. Die Briten verlassen Europa. Wir sind kurz mal 'entwischt'." Das letzte Zitat stammt aus der Geschichte "Der Fluss der Faulheit", welchen ich nicht nur literarisch sehr stark sondern sogar in seiner Kürze vergleichbar mit David Foster Wallace' grandiosem "Schrecklich amüsant - Aber in Zukunft ohne mich" finde. 

Insgesamt handelt es sich meines Erachtens bei diesem Erzählungsband um eine sehr durchwachsene Mischung, die durchaus gelungen und abwechslungsreich sein kann, mich jedoch nicht restlos überzeugen konnte.