Rezension

Großartiges Leseerlebnis, kraftvoll und überwältigend

1793 - Niklas Natt Och Dag

1793
von Niklas Natt och Dag

Bewertet mit 5 Sternen

Was für eine großartige und grausame Welt, in die Niklas Natt och Dag seine Leser hineinzieht!

In einer Kloake inmitten Stockholms entdecken zwei Kinder einen furchtbar verstümmelten Leichnam. Ein Stadtknecht und ein Jurist nehmen den Faden auf und machen sich auf die Suche nach der Identität des Opfers und dessen Mörder.

Niklas Natt och Dag gelingt in seinem Debütroman das Kunststück, den Leser unmittelbar und intensiv in sein Buch hinein zu ziehen. So lebendig, so detailreich entwickelt sich die Geschichte von Beginn an, dass das Hineingleiten zum unvermeidbaren Genuss wird. Dazu tragen sicherlich die gewählte Erzählzeit Präsens bei, der lebendige Schreibstil, ein fesselnder Spannungsbogen, zudem der offenbar gründlichst recherchierte historische Hintergrund, auch die bildhaften Ortsbeschreibungen, welche sich anhand der Stadtkarte grob nachvollziehen lassen, und natürlich die Personen.

Die bieten sich keineswegs als Identifikationsmodelle an. Derart exzessive Protagonisten sind in der Literatur selten zu finden. Jean Michael Cardell, ein traumatisierter Häscher und Trunkenbold, der seinen Holzarm im Bedarfsfall gut einzusetzen weiß, und der scharfsinnige, leider sterbenskranke Jurist Cecil Winge könnten gegensätzlicher kaum ausfallen. 

Bis wirklich zum Kern des Verbrechens vorgedrungen wird, bedarf es weitreichender Ausholungen. Unterschiedliche Stränge werden aufgenommen und weit verfolgt, bis sie sich berühren und verquicken.

Das gesamte Konstrukt erinnert an ein Pilzmyzel. Oberflächlich erscheinen hier und dort die Fruchtkörper, das große unterirdische Geflecht, das alles verbindet, bleibt unsichtbar, solange man nicht in die Tiefe geht. Doch genau das tun die beiden Ermittler.

Und auf welch ein Geflecht sie schließlich dabei stoßen! 

Spritzig, ideenreich, voller Finten, Haken und Überraschungen, ausgelotet bis in die tiefsten menschlichen Abgründe, so kommt dieses Abenteuer, dem man gerne ein paar Übertreibungen verzeiht, daher. Zart Besaitete könnten sich angesichts häufiger und ausgearbeiteter Grausamkeiten überfordern, den übrigen bietet sich von der ersten bis zur allerletzten Seite, was auch das lesenswerte Nachwort beinhaltet, beste Unterhaltung.