Rezension

Ganz großes Kopfkino, Chapeau

Kleine Probleme -

Kleine Probleme
von Nele Pollatschek

Bewertet mit 5 Sternen

Lars ist 49 Jahre alt und allein zuhause. Seine Frau Johanna, seine Kinder sind unterwegs um ihr Leben zu leben. Am 31.12. werden sie sich wiedersehen, so der Plan. Die verbleibende Woche will Lars nutzen um Ordnung zu schaffen. All das, was seit Tagen, nein Monaten, ach was Jahren liegengeblieben ist wird Lars Regeln, Ordnen, Gutmachen. 

Mit ganz großer Vorfreude, der Aussicht auf ein neues Dasein, schwingt Lars sich in seinen Kopf empor, um in die Planung zu gehen, denn Listen sind wichtig. Dient das Abhaken der Tagespunkte doch der Motivation, sein Endziel zu erreichen. Und weil Lars weiß, dass seine Frau sich ihn auch disziplinierter wünscht und er sie gerade schmerzlich vermisst, kuschelt er sich noch einmal ganz kurz in ihre Schmusedecke auf dem Sofa zusammen. Als er erwacht ist die Woche rum und der 31.12. Nichts ist erledigt und Lars kurz vor einem Nervenzusammenbruch. 

Jetzt wird er sich anstrengen, alles noch möglich. Er wird seine Frau und seine Kinder nicht schon wieder enttäuschen. Und dann schnallt Lars seinen Werkzeuggürtel um und begibt sich auf einen Roadtrip durch das Haus, um Linas Bett aufzubauen,

Vor mir lagen , in sauberen Grüppchen, glänzend und glimmend, wie frisch gebadet, zweiunddreißig Hoshis und vierundzwanzig Knülpe, vier Schlitzlinge und vier Plötze, gleich vierzig Pleumel, achtunddreißig Holzflonze und dreißig wagemutige Wüs, daneben fünfzig Wörle, zehn Plastikniezen mit großen weißen Hüten und viel zu zarten Rippen, drei lange Sporne und sechzehnmal, mit glänzenden Ringen und erhabenem Kreuz, Henriette Hannelore von Hoffmansthal, holde Henriette, ach Henriette, ach Johanna, wenn du mich jetzt sehen könntest. S. 36

zu Putzen, Steuer und Post abzuwickeln, Geschenke einzupacken, seinen Vater anzurufen, mit dem Rauchen aufzuhören, sein Lebenswerk zu schaffen, Nudelsalat zu machen und ein Feuerwerk zu zaubern. Dass ihm die einzige übriggebliebene Nietze im Laufe des Tages noch ganz arg beistehen wird, weiß er jetzt noch nicht. 

Fazit: Nele Pollatschek hat einen hervorragenden Roman geschaffen. Ich habe so sehr gelacht, wie schon lange nicht mehr. Die Tragik ihres Protagonisten, der nichts auf die Reihe kriegt, sich aber verbiegt, um seinem Umfeld gerecht zu werden, ist urkomisch. Unglaublich, wie gut sie als Frau diesen Charakter hinbekommen hat, wie sehr sie sich in Lars hineinversetzt hat, so als hätte sie selbst einen Zuhause. Chapeau, das ist großes Kopfkino.