Fuchsgeist

Der Fuchs und Dr. Shimamura
von Christine Wunnicke

Japan, 1891: Dr. Shimamura hat gerade promoviert und wird von seinem Doktorvater zu Untersuchungen in die Provinz geschickt. Dort sind viele Frauen vom Fuchs besessen - Shimamura diagnostiziert Trunksucht, Kretinismus, Epilepsie und anderes, aber manche Fälle sind ihm unerklärlich. Die Einwohner sind überzeugt, dass ein Fuchs Besitz von den Patienten ergriffen hat. Heilung ist möglich, wenn man den Fuchsgeist austreibt und ihn in ein "Gefäß", einen Freiwilligen treibt, der daran stirbt. Bei der Behandlung der letzten Patientin meint er den Fuchs unter ihrer Haut zu sehen; der ihn begleitende Student verschwindet; und er selbst hat seither Fieber. Hat er den Fuchs übernommen?

Shimamura reist mit einem Stipendium nach Europa. Er trifft Charcot und Binet in Paris, von Leyden und Mendel in Berlin, Breuer und Freud in Wien. In Japan wird er einer der ersten Nervenärzte. Eine große Karriere macht er nicht; sein größter Beitrag besteht darin, an den Wänden des Krankenhauses Matten anzubringen, damit sich die Patienten nicht verletzen. Aus Krankheitsgründen geht er früh in Ruhestand und wird von Frau, Mutter und Schwiegermutter versorgt; alle warten auf seinen Tod. Da erhält er ein letztes Mal Besuch...

Ist die Besessenheit vom Fuchs die japanische Form der weiblichen Hysterie, die in Europa so oft diagnostiziert wurde? Hat sich Shimamura seine Krankheiten nur eingebildet; ist der Psychiater selbst psychisch krank? Wie ernst sind all die großen Männer der Wissenschaft zu nehmen? Vieles bleibt in der Schwebe, und der Leser kann sich selbst seine Gedanken machen. Christine Wunnicke schreibt ein Stück europäische Psychiatriegeschichte, verfremdet durch den japanischen Blickwinkel. Das ist witzig und unterhaltsam zu lesen.