Rezension

Emotionaler, intensiver Debütroman

Die andere Hälfte der Augusta Hope - Joanna Glen

Die andere Hälfte der Augusta Hope
von Joanna Glen

"Die andere Hälfte der Augusta Hope" von Joanna Glen ist ein gelungenes Debüt, das voller Überraschungen steckt.

Gleich zu Beginn wird der Leser mit einem sehr spannenden Absatz in die Geschichte gezogen. Mir gefällt dieser abrupte Start sehr gut, es wird hier nicht über mehrere Seiten ein atmosphärischer Einstieg aufgebaut, sondern der Leser ist gleich mitten in der Geschichte und will unbedingt weiter lesen und erfahren, was passiert ist. Dieser Beginn ist aussagekräftig, entwickelt doch der ganze Roman eine Sogwirkung und ist nur sehr schwer aus der Hand zu legen. Unterstützt wird dies auch durch den Schreibstil, so kommt es neben direkten, fast abgehackten Sätzen auch zu wunderschönen, dann doch atmosphärischen Schilderungen. Durch diese Mischung wird der Roman sehr eindringlich, emotional und stellenweise tragisch.

Erzählt werden parallel die Geschichten von Augusta und Parfait aus der Ich-Perspektive. Augusta wächst zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Julia in England auf. Sie ist sehr intelligent, voller Träume, wissbegierig und neugierig. Durch ihre direkte und mutige Art und weil sie viele Dinge durchschaut und hinterfragt, eckt sie so manches Mal bei ihren Eltern an. Diese sind sehr konservativ, legen viel Wert auf die Meinung anderer und achten darauf, bloß nirgends anzuecken. Julia hingegen ist eine sanfte, ruhige Person und kommt dem Wesen der Eltern damit mehr entgegen. Es ist sehr spannend die beiden aufwachsen und sich entwickeln zu sehen. Tragischerweise verliert Augusta Julia nach und nach immer mehr. Die Zwillinge stehen sich nicht mehr so nahe, wie in der Kindheit. Als Julia dann jung stirbt, muss Augusta sich ihrer Trauer stellen und versuchen einen neuen Weg im Leben zu finden. Der Roman hat viele unglaublich emotionale, nachdenklich stimmende Passagen. Beim Lesen habe ich immer wieder innegehalten, um über die Gedanken nachzudenken. Es ist kein Roman, der sich nur schön liest, er ist auch sehr tiefgründig. Augusta fragt sich "Warum war es so kompliziert, Mensch zu sein?" Genau dieses Menschsein mit vielen Herausforderungen und Rückschlägen wird sehr facettenreich dargestellt.

Der Handlungsstrang um Parfait war eine große Überraschung für mich. Parfait ist in Burundi aufgewachsen und flieht zusammen mit seinem Bruder nach Spanien. Damit bringt die Autorin die Völkermorde in Burundi zwischen Hutu und Tutsi und den Umgang mit Flüchtlingen sowie die Entbehrungen/ Ängste auf der Flucht und in der neuen Heimat in diesen Roman ein. Damit habe ich in keinster Weise gerechnet und gerade die Konflikte in Burundi auch noch in keinem Roman aufgegriffen gesehen. Zunächst war ich etwas unschlüssig, ob es der Tragik und Unbegreifbarkeit der schrecklichen Taten in Burundi gerecht wird, diese am Rande in einem Roman anzusprechen. Inzwischen glaube ich aber, dass ein Leser, der am Weltgeschehen interessiert ist, vermutlich weitere Recherchen zu dem Thema tätigt und es damit in Ordnung ist, das es zumindest angesprochen wird, so dass der Völkermord nicht ganz in Vergessenheit gerät.

"Die andere Hälfte der Augusta Hope" ist ein sehr intensives, emotionales Buch, welches sehr viele Facetten hat. Es finden sich unglaublich tolle, interessante Gedanken, die es lohnt weiter zu verfolgen. Ein lesenswertes Werk, das bleibenden Eindruck hinterlässt.

Empfehlen kann ich diesen Debütroman von Joanna Glen Lesern, die gern emotionale, tiefgründige Roman lesen und die offen sind, sich vorurteilsfrei auf die Handlung einzulassen, da diese voller Überraschungen ist.