Rezension

Eine tolle Idee, ein grandioses Setting und jede Menge unerwarteter Wendungen

LÚM - Zwei wie Licht und Dunkel - Eva Siegmund

LÚM - Zwei wie Licht und Dunkel
von Eva Siegmund

Inhalt:
Nach dem dritten Weltkrieg, der die Überlebenden der Weltbevölkerung zwang, in die unverseuchten Gebiete Nord- und Südamerikas zu ziehen, wurde der Völkerauflösungsvertrag beschlossen. Der neugeborene Staat nennt sich UdL – Unionsstaat des Lichts und basiert auf reiner Wissenschaft.

In der Mantai-Nacht erhalten die 15-jährigen Pekuu ihre Gaben. Auf Meleike, die Enkelin der größten Seherin von Adeva, lastet ein großer Druck. Doch alles Sehnen und Wünschen hilft nichts. Sie erhält kein Zeichen auf ihrem Handgelenk, ist weder Seherin, noch Telepathin, noch etwas anderes. Dennoch läuft nichts wie gedacht. Durch eine tragische Wendung erhält sie ein Mal – eines, das vorher noch niemand hatte. 

Währenddessen geschieht in Lúm, der Hauptstadt der UdL, etwas. Der 15-jährige Flynn wurde von Doctor Connor, dem führenden Wissenschaftler des Staates, in eine Zelle gesperrt – weil er ein Mal am Handgelenk trägt. Ein Mal, das ihn zum Seher macht. Seine Mutter befreit ihn aus dem Gefängnis und fährt ihn über die Grenze der UdL. In das Gebiet, das laut Kenntnis der Bevölkerung sofort zum Tod führt. Er gelangt an einen Ort, den die Einheimischen Adeva nennen und trifft auf ein Mädchen, das genau dasselbe Mal trägt wie er selbst. Und gemeinsam könnten sie das drohende Unheil, das ihnen eine Vision gezeigt hat, abwenden. Der Junge aus dem Licht und das Mädchen aus der Dunkelheit.

Meinung:
Die Leseprobe hat mich bereits mit dem „Vorwort zum Völkerauflösungsvertrag“ neugierig gemacht und so wollte ich natürlich sofort weiterlesen. Nach der Aufklärung über das, was nach dem dritten Weltkrieg geschah, wurde ich völlig unerwartet in eine sehr fantastisch angehauchte Welt eingeführt, die Welt der Pekuu. In der Nacht des Mantai-Festes, in der manche der 15-Jährigen ihre Gabe erhalten. 
Auf Meleike Mey liegt eine große Last – ihre Mutter und ihre Großmutter waren begabte Seherinnen und hoch angesehen in der endlosen Trümmerstadt Adeva. Dennoch wird Meleikes schlimmste Befürchtung wahr: Sie erhält kein Zeichen am Handgelenk. Wochen später ereignet sich ein tragisches Schicksal, was vorerst allein auf Meleikes Schultern lastet. Ihre Großmutter hat Meleike ihre eigene Gabe vererbt. Doch ihr Zeichen ist anders als alles, was in Adeva jemals gesehen wurde und Meleike offenbart sich ihre Bestimmung. Sie muss Adeva vor dem drohenden Untergang beschützen, den sie in einer Vision gesehen hat.

Danach lernte ich Flynn kennen, der von seinem eigenen Vater ins Gefängnis gesteckt wurde und dem eine grausame Behandlung oder besser der Tod bevorsteht – wegen eines Zeichens auf seinem Handgelenk, das ihn Visionen haben lässt. 

Vom ersten Informationsdumping und gefühlten Millionen Fragezeichen im Kopf strebten die Handlungsstränge immer weiter zusammen, während ich nach und nach meine ersten Antworten erhielt. Meleike und Flynn sind etwas Besonderes, doch das Warum hielt die Autorin lange vor mir verborgen. Sie spielte mit Auslassungen und der Unwissenheit der Charaktere und hielt so die Spannung konsequent oben. Selbst als ich dachte, mich in der Welt zurechtgefunden zu haben, überraschte mich Eva Siegmund mit immer neuen Wendungen und Hintergründen, die ich so nicht erwartet hätte. Sie stellt ihren Charakteren immer neue Hürden in den Weg und geht alles andere als zimperlich mit ihnen um.

Ihr Schreibstil ist stellenweise detailliert und bildhaft, transportiert trotz des personalen Erzählstils perfekt die Emotionen der Charaktere. Durch den Perspektivenwechsel ist man den einzelnen Charakteren manchmal an Informationen voraus, was zusätzlich Spannung schürt – auch wenn diese manchmal so ganz anders gelöst wird als erwartet.

Das dystopische, von Wissenschaft beherrschte Setting von Lúm hat mir ausgesprochen gut gefallen – ebenso die Diskrepanz zu Adeva. Auch wenn beides nicht tiefergehend beschrieben wurde, konnte ich mir alles gut vorstellen und die Fantasie arbeiten lassen. 
Erst Stück für Stück erkannte ich die Hintergründe und die Motivation für den Weltentwurf. Die Herangehensweise an die Vorstellung der Welt hat Eva Siegmund alles andere als klassisch gelöst. Ich erfuhr erst einmal nichts von der vermeintlich perfekten Welt, wie es in den meisten Dystopien der Fall ist, von dem schönen Leben dort. Die Autorin setzt hier ein wenig später ein, was durchaus für frischen Wind sorgte. Als Fan von „anderem“ konnte mich dies natürlich begeistern.

Auch wenn nicht alle Fragen geklärt wurden, brachte die Autorin die Geschichte nach einem fulminanten Showdown zu einem gelungenen Ende. Ich hoffe dennoch sehr, dass ich noch einmal nach Adeva oder Lúm zurückkehren kann. 

Urteil:
Nach leichten Startschwierigkeiten konnte mich Eva Siegmund mit ihrer Fantasy-Dystopie überzeugen. Eine tolle Idee, ein grandioses Setting, der andersartige Aufbau und jede Menge unerwarteter Wendungen halfen mir über die wenigen ruhigen Passagen und den schweren Einstieg hinweg. Haarscharfe 5 Bücher für „Lúm – Zwei wie Licht und Dunkel“.

Wer in eine völlig andere Welt abtauchen will, in der die Wissenschaft über allem steht und Unerklärbares keinen Platz zu haben scheint, sollte sich an „Lúm“ versuchen. Ich empfehle, die Leseprobe über das „Vorwort“ hinaus zu lesen, um den Übergang, der mich so lange irritiert hat, einfacher zu gestalten.

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