Rezension

Eine Tochter, eine Mutter, eine gemeinsame Reise und die Frage, was Herkunft mit uns macht

Kalt genug für Schnee
von Jessica Au

Bewertet mit 4 Sternen

Die namenlose Ich-Erzählerin hat mit ihrer Mutter eine gemeinsame Reise nach und durch Japan geplant. Bereits auf den ersten Seiten wird deutlich, dass die Beziehung besonders ist, keine Innigkeit, die uns begegnet, stattdessen eine seltsame Distanz, die aus den Zeilen spricht. Während der Reise begleiten wir die Tochter nicht nur bei ihren Gedanken über die Beziehung zu ihrer Mutter, sondern daraus abgeleitet viel grundsätzlicheren Fragen darüber was Herkunft mit uns macht, wie wir uns abgrenzen, was wir uns aneignen. 

Immer wieder werden dabei auch Klassengrenzen aufgezeigt, die feinen Unterschiede im Habitus, die die Autorin an ihrer Mutter vor dem Hintergrund ihrer Lebenserfahrung, aber auch bei sich selbst herausarbeitet.

Dafür findet die Autorin immer wieder treffende Bilder und Beispiele, wie etwa, wenn sie Bildung als Form einer Fremdsprache herausarbeitet, deren Zugang sich bestimmte Klassen hart erarbeiten müssen, während andere diese mit einer Selbstverständlichkeit über Erziehung und Sozialisation internalisieren. 

Die Sprache der Autorin ist von einer Zärtlichkeit durchzogen, obgleich die Reflexion oft fast sachlich anmutet. 

Etwas schwer zugänglich fand ich die in einander fließenden Wechsel zwischen Gegenwart und Erinnerungen der Autorin. Hier hätte ich mir stilistisch oder vielleicht auch lediglich im Textlayout eine andere Umsetzung gewünscht.

Kalt genug für Schnee ist eine zärtliche Erzählung einer Mutter/Tochter Beziehung, zwischen Aneignung und Abgrenzung, über Herkunft, Prägung, Klassenaufstieg und Habitus. Jessica Au werde ich mir als Autorin auf jeden Fall merken und gespannt auf weitere Werke von ihr blicken.