Rezension

Eine Reise in die Erinnerung

Das Bild der Erinnerung - Micaela Jary

Das Bild der Erinnerung
von Micaela Jary

Bewertet mit 5 Sternen

In Mayfair ließen sich nur die vornehmsten Kunsthändler nieder, in dieser noblen Gegend wurde geklotzt, nicht gekleckert. Hier wurden auch keine Preisnachlässe gewährt. Nicht einmal auf Erinnerungen...

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1961: 15 Jahre sind vergangen, als Philip plötzlich über ein Gemälde im Fenster eines Kunsthändlers stolpert, das mit Wucht viele Erinnerungen und Gefühle in ihm wieder hochkommen lässt...

2010: Die Kunstexpertin Anna soll eine Expertise zu einem Gemälde aus der Sammlung Philip Coleman erstellen. Dieses Bild von Leo Reichenstein galt seit 1926 als verschollen und weist in seiner Stempelung eine Lücke auf. Allerdings ist das, bedingt durch die Kriegswirren, gar nicht mal so unüblich. Trotzdem beginnt Anna tiefer nachzuforschen, stößt dabei aber immer wieder auf Mauern und die Auftraggeberin macht Druck.

Was hat es mit diesem leidenschaftlichen Bild auf sich? Ist es eine Fälschung?

Micaela Jary führt den Leser ganz geschickt durch 2 Zeitstränge zurück in das Jahr 1946, in dem die Hauptgeschichte spielt. Das Jahr, in dem sich Philip, Henry, Rita und Fee kennenlernen, im Berlin der Nachkriegszeit. Das Jahr, in dem alles begann!

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Dieser Roman mit seinen 3 Ebenen, ist so geschickt ineinander verflochten, dass er die Spannung bis zum Schluss hindurch hält.

Die Autorin entführt uns ins Berlin der direkten Nachkriegszeit - eine Zeitreise, die ich so noch nicht gelesen habe. Es ist der Beginn des Wiederaufbaus und des "Leben Zurückeroberns". Es ist die Zeit der Alliierten, des Hungerns und Frierens und des Mangels, aber auch eine Zeit der Hoffnungen, der Lebenslust, des Tanzens und nach vorne Schauens. Und vor allem, der Liebe!

Dieses Buch vereint Zeitzeugnis, Liebesgeschichte und auch ein klein bisschen Krimi. Und, er ist großartig recherchiert. Dadurch haben die Personen die Möglichkeit, das damalige Lebensgefühl so perfekt zu vermitteln, als wäre man selber dabei.

Und auch das ist eine der großen Stärken von Micaela Jary: Da steht ein Mann im Regen und ich spüre sofort den klammen, schweren Mantel und rieche die nasse Wolle. Genau so katapultiert sie den Leser tief hinein ins Jahr 1946.

Ein großartiger Schreibstil! Ein großartiger Roman! Mit Schicksalen, die einen tief bewegt zurücklassen und Liebesgeschichten, die realitätsnaher nicht sein könnten. All das durch die Augen lebendiger, greifbarer und sympathischer Charaktere, mit denen man leidet, lebt und liebt. Mit jedem Einzelnen!

Fazit: Ein Buch, das einem noch lange nachhängt und die Frage aufwirft "Wie hätte ich gehandelt?". Absolut lesenswert