Rezension

Eine kleine Hommage an die 1970er Jahre

Agfa Leverkusen - Boris Hillen

Agfa Leverkusen
von Boris Hillen

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:
Indien, 1977. Der junge Provinzfotograf Kishone Kumar fotografiert leidenschaftlich in Schwarz-weiß. Doch schließlich kommt er nicht mehr darum herum, sich der Farbfotografie zu öffnen. Spontan wird die Idee geboren, auf dem Motorrad nach Deutschland, genauer gesagt zu den weltberühmten Agfa-Werken in Leverkusen, zu reisen, um dort alles über die Farbfotografie zu lernen. Es beginnt eine abenteuerliche Reise, die alles andere als geradlinig verläuft und von vielerlei skurrilen und nachdenkenswerten Ereignissen geprägt ist.

Meine Meinung:
Boris Hillen hat eine großartige Geschichte geschrieben. Mit präzisen Worten bringt er uns seine Charaktere nah, von denen ich viele sofort ins Herz geschlossen habe. Kishone und sein Freund Amitabh wirken anfangs etwas unbedarft, was sie umso liebenswürdiger macht. Mit ein paar Dollar in der Tasche wagen sie sich auf eine ungewisse Reise, deren Ausgang sie sich so sicher nicht ausgemalt hatten. Dabei kommen sie unterwegs schon auch mal vom Weg ab, um wieder zu Geld zu kommen oder sich auf diverse Abenteuer einzulassen. Der Verlauf der Reise ist so wenig vorhersehbar wie das Leben im Allgemeinen. Frauen spielen immer eine Rolle, auch Motorräder und natürlich die Fotografie.

Der Autor streut viele Ereignisse und Personen ein, die in den 1970er Jahren von Bedeutung waren. Von der RAF über diverse Politiker hin zu Schriftstellern und Musikern, die damals Kult waren. Dieser Roman ist eine kleine Hommage an diese raue und bunte Zeit. Es gibt so viele nette kleine Details zu entdecken, was das Lesen zu einem wunderbar nostalgischen Erlebnis macht, wenn man diese Zeit damals selbst erlebt hat.

Schwierig wird das Lesen dadurch, dass es drei Erzählstränge gibt, die trotz verschiedener Erzählzeiten oft nicht gut auseinanderzuhalten sind. Abgetrennt sind sie lediglich durch eine Reihe von Sternchen. Kapitel gibt es nicht. Die drei Erzählungen decken zwei Zeiten ab. Zum Einen reisen wir 1977 mit Kishone und Amitabh von Indien nach Deutschland. Die anderen beiden Handlungsstränge spielen quasi in der Gegenwart. Hier geht es um die Reise von Saxona und Tom von Frankfurt nach Indien, im anderen Strang um Saxonas Aufenthalt bei Kishone in Indien.

Außerdem wird öfter mal von irgendwelchen Personen berichtet, die erst später in einer anderen Perspektive richtig eingeführt werden. Das hat mich etwas verwirrt und ich hatte dadurch immer wieder das Gefühl, etwas überlesen zu haben.

Mein Tipp: Auch wenn es teilweise verwirrend erscheinen mag, einfach mal drauf einlassen und diese Roadtripstory genießen, wobei man schon fast Roadmovie sagen muss, denn das Kopfkino wird schon auf der ersten Seite in Gang gesetzt. Einfach eintauchen in diese Atmosphäre, die alles so real und plastisch erscheinen lässt.