Rezension

Eine Frau mit der Gabe des Tötens gegen einen wahnsinnigen König

Die Beschenkte - Kristin Cashore

Die Beschenkte
von Kristin Cashore

Bewertet mit 4.5 Sternen

Katsa ist eine junge Adelige am Hof ihres Onkels, die die ihr zugedachte Aufgabe hasst wie die Pest. Im Gegensatz zu anderen Geschlechtsgenossinnen ihres Alters ist ihr Leben nicht allein darauf aufgerichtet, zu heiraten und Kinder zu bekommen, sondern besteht hauptsächlich darin, für den König Untertanen und untreue Geschäftspartner gewaltsam einzuschüchtern. Denn Katsa ist eine Beschenkte, ein Mensch mit einer Gabe, und ihre ist der Tod.
Um ihre Schuldgefühle und zugleich ihren tyrannischen Onkel im Stillen zu bekämpfen, rettet sie heimlich mit ihren Freunden und Verbündeten diejenigen, die in Not sind. So befreit sie auch den Vater eines benachbarten Herrschers, der im Auftrag eines Unbekannten entführt und eingesperrt wurde. Mit der Hilfe des Enkelsohns des alten Mannes will sie herausfinden, wer wirklich für diese Tat verantwortlich ist, und gerät an einen Monarchen, der weitaus grausamer ist als derjenige ihres eigenen Reiches.

 

Kristin Cashore beschreibt in ihrem Erstlingswerk, dem Auftakt zu ihrer Trilogie der Sieben Königreiche, eine interessante neue Welt: Fantastisch, magisch, geheimnisvoll und das ganz ohne Hexen, Zauberer, Vampire oder ähnliche übernatürliche Wesen. Die Beschenkten sind Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und leicht zu erkennen an ihren verschiedenfarbigen Augen, die sie kennzeichnen und gleichzeitig stigmatisieren. Jeder um sie herum weiß sofort, dass sie eine besondere Macht besitzen, weswegen sie meist gemieden und ausgeschlossen werden. So ergeht es zumindest Katsa, einer wenig mädchenhaften Heldin, die sich immer zu wehren weiß. In ihrer spröden Art erinnert sie oft ein wenig an Katniss, der Hauptfigur im Film zur Tribute-von-Panem-Reihe, besonders als sie und der junge Prinz, der ihr beisteht, sich näherkommen. Doch entgegen ihrer relativen körperlichen Unbesiegbarkeit wirkt sie innerlich umso verletzlicher, was sie sehr sympathisch und gleichzeitig zu einem realistischen Charakter macht. Ihre Wut auf ihren Onkel, ihre Ohnmacht darüber, dass sie für den König Menschen Schaden zufügen muss und von allen scheinbar für ein wildes Tier gehalten wird, und ihre Angst davor, von jemand Anderem abhängig zu sein, stellt die Autorin sehr einfühlsam nach und nach dar. Aber auch andere Personen stechen positiv aus dem Geschehen heraus, allen voran Prinz Bo, der ausgeglichene Kontrast zur temperamentvollen Katsa und die kleine Bitterblue, die tapfer bis zum Schluss kämpft.

 

Das Buch fesselt von der ersten bis zur letzten Seite, da man mitten ins Geschehen hineingeworfen wird und unbedingt mehr über die Hintergründe erfahren will. Da die Geschichte allein aus Katsas Sicht geschrieben ist, fiebert man mit ihr, weil man genauso wenig wie sie weiß, was als nächstes geschehen wird.
Daraus ergibt sich jedoch ein wichtiger Kritikpunkt: Der böse König bleibt meist im Hintergrund, ist kaum greifbar und spielt kaum eine größere Rolle, obwohl hinter der Figur eine sehr interessante Idee steckt.
Aber vielleicht erfährt man im dritten Teil, der sich um seine Tochter drehen soll, mehr über ihn, wer weiß? Zum Lesen der anderen beiden Bände animiert dieser Einstieg allemal!