Rezension

Eine etwas andere Familiengeschichte

Goldener Boden -

Goldener Boden
von Ulrike Dotzer

Bewertet mit 4 Sternen

„...Gustav steht auf dem Platz vor der Halle und hat Angst. Den Koffer hält er in der Hand, das mit dem Federbett verschnürte Paket und die Geige in der anderen. Drei Gepäckstücke sind erlaubt...“

 

Gustav ist 19 Jahre, als er in Amerika von Bord des Schiffes geht. Er wartet auf Max und Leon, mit denen er an Bord zusammen war. Leon kehrt in seine Heimat zurück, während für die beiden anderen das Abenteuer ihres Lebens beginnt.

Die Autorin hat einen gut recherchierten und spannenden historischen Roman geschrieben. Er geht über drei Generationen.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er ist gut ausgearbeitet und gibt die historischen Gegebenheiten gekonnt wieder. Dazu gehört auch, dass die Verhältnisse in New York sehr anschaulich beschrieben werden. Die Stadt ist einer laufenden Veränderung unterworfen.

Es ist Eigeninitiative gefragt, um auf die Beine zu kommen. Von Vorteil ist, wenn man weiß, an wen man sich wenden kann. Landsleute halten zusammen. Gustav wird von der Kirche eine Arbeitsstelle ineinem Konfektionsgeschäft. Eine Unterkunft findet er bei einem Friseurmeister. Dort arbeitet Gustav anfangs in den Abendstunden nach seinem eigentlichen Job mit.

 

„...Gustav reinigt die Rasierpinsel und -schalen, schüttelt Servietten und Umhänge aus, putzt die Spiegel und kriegt dafür einen Dollar...“

 

Gustav erweist sich als findiger Kopf. Das nützt seinem Arbeitgeber, ihm weniger. Bald steht Gustav auch im Laden.

Nach dem Tode seines Bruders muss Gustav nach Deutschland zurückkehren, um seine Mutter zu unterstützen.

Jetzt macht die Geschichte einen großen zeitlichen Sprung. Als Leser erfahre ich, dass sich Gustav als Friseurmeister in Pommern selbstständig gemacht hat. Im Jahre 1935 aber hat seine Tochter Clara das Zepter in der Hand. Nun stehen die Kriegsjahre im Mittelpunkt. Clara hat vier Töchter. Ihr Mann Rudolf ist in das neue Regime eingebunden.

 

„...Dass Rudolf nicht in der SA mit marschiert, liegt an seiner Frau. Clara bremst ihn: „Zweimal die Woche Appell? Hast du nichts besseres zu tun?“...“

 

Clara gelingt mit ihren Töchtern rechtzeitig die Flucht nach Bad Bibra. Jetzt werden die Nachkriegsjahre lebendig. Rudolf bleibt erst einmal verschwunden. Clara, ganz Geschäftsfrau, hält sich mit Frisieren über Wasser. Ihr Vater geht ihr zur Hand, bleibt aber ansonsten im Hintergrund.

Dann kehrt Rudolf zurück. Ein Nachbar bekommt mit, dass er bei der SS war. Jetzt hilft nur die Flucht.

Wieder ist ein Neuanfang angesagt, dieses Mal in Kiel. Zunehmend bekommt das Handwerk goldenen Boden. Alle vier Töchter müssen Friseuse lernen. Ihre eigenen Träume zählen nicht. Und Gustav ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Clara hat das Sagen. Seine Erinnerungen an Amerika aber kann ihn niemand nehmen.

Beide Teile des Romans enthalten eine passende Karte und ein Personenverzeichnis.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet anhand einer Familie wichtige Etappen der Geschichte des letzten Jahrhunderts nach.