Rezension

„Ein wahrer Christ stört nicht den Völkerfrieden“

Und Friede auf Erden - Karl May

Und Friede auf Erden
von Karl May

Bewertet mit 5 Sternen

Der Ich-Erzähler Charley ist wieder im Orient unterwegs und trifft im Hotel in Kairo auf den Amerikaner Waller, der mit seiner Tochter Mary auf dem Weg nach China ist. Sein Ziel: die Chinesen zum Christentum bekehren – eine Mission, die nicht nur seinem religiösen Wahn, sondern auch einer Wette geschuldet ist. Mit seinem radikalen Missionseifer bringt er sich schon in Kairo in Schwierigkeiten. Nur dank Charleys beherztem Eingreifen kommt er mit dem Leben davon. Da auch Charley zusammen mit seinem Diener Omar Richtung China unterwegs ist, ist es nur eine Frage der Zeit bis er Waller wiedertreffen wird. Das zufällige Auch das zufällige Zusammentreffen mit Charleys gutem Freund Sir Raffley steht unter dem Zeichen eines völlig neuen Menschenbildes, denn vom stolzen, unnahbaren Engländer ist in dem menschenfreundlichen, gutherzigen Mannes nicht mehr viel zu finden. Was hat diese radikale Veränderung wohl bewirk? Alle Antworten finden sich im geheimnisvollen, faszinierenden China.

Ein Band aus dem Spätwerk Karl Mays. Es steht zum einen unter dem Zeichen der Rechtfertigung seines bisherigen Schaffens und des konstruierten Mythos‘ zum anderen unter dem Eindruck seiner realen Reisen in den Orient, seines neuen Ansatzes des symbolhaften Schreibens und seines toleranten, friedlichen Christentums und der Menschenliebe. Spannung und Abenteuer gibt es noch, aber die Zeit der epischen Schlachten, des allmächtigen Abenteurers und der spannenden, verwickelten Pläne ist vorbei. Die farbenprächtigen Kulissen, die faszinierenden Charaktere und der friedliche Botschaft sind geblieben.

Karl Mays ausschweifende Abhandlungen über den Glauben im Allgemeinen und das Christentum im Speziellen sind schon aus seinen ersten Werken bekannt. Hier nehmen sie eine neue Dimension an und klingen, mit Blick auf die aktuellen Nachrichten, fast prophetische Dimensionen an. Der „schlafende Islam“, den das Abendland auf gar keinen Fall unterschätzen soll und der fürchterlich auferstehen wird, wenn er beim Erwachen erkennen muss, was das Abendland ihm angetan hat? Karl May ruft zur Umkehr auf, zum friedlichen Miteinander, zur Gleichberechtigung aller Religionen, die schlussendlich nur eine sind, gleichgültig unter wie vielen Namen sie auf der Welt bekannt ist. Der Mensch steht mit einer menschenwürdigen Existenz als „Weltbürger“ am Ende der May’schen Philosophie. So abwegig sind seine Gedankengänge nicht. Sein Spätwerk ist oft philosophisch und natürlich auch religiös, hauptsächlich christlich, geprägt. Das Christentum als alleinige Religion ist allerdings einer Weltphilosophie gewichen. Man muss diese Art Abhandlungen mögen, wirklich neu und überraschend sind sie in Mays Werk allerdings nicht, wenn man sich an „Winnetou“ oder „Der Ölprinz“ erinnert. Spannende Elemente sind weiterhin vorhanden, das Buch hat eine ausgeklügelte Handlung, doch das Ziel des Abenteuers ist nicht mehr die Lösung eines Spannungsbogens, den es jedoch gibt, sondern die Beantwortung einer Menschheitsfrage.

Fazit: Auch wenn May in seinem Spätwerk ein neues Konzept verfolgt und gerade dieser Band immer wieder Abschnitte mit Rechtfertigungen zu seinem bisherigen Schaffen und dem Bezug zu seinen Prozessen hat, bleibt auch dieses Werk spannend. Die Gedankengänge Mays zum Glauben und zum Zusammenleben der Menschen, sind überraschend aktuell und wirken stellenweise prophetisch. Schon alleine das ist im 21. Jahrhundert ein Grund zu diesem Buch zu greifen!

Die Weltbild-Ausgabe ist zudem umfangreich und wundervoll illustriert und wird durch ein Vorwort von Heinrich Pleticha eingeleitet, das sowohl über die Hintergründe von Mays Spätwerk im Allgemeinen als auch des Werks „Et in Terra Pax“ im Speziellen informiert.

Eine Leseempfehlung für alle Fans von Karl May sowieso, aber auch für diejenigen, die sich auf ein bisschen Philosophie einlassen, die Weitsicht eines Autors des 19. Jahrhunderts kennenlernen möchten und natürlich auch für diejenigen, die sehen wollen wie May seine Prozesse und Reise sowie seinen neuen Blick auf sein Schaffen in seinem Werk spiegelt.