Rezension

Ein Verwirrspiel, eine Suche und viele Fragen

Wenn ein Reisender in einer Winternacht - Italo Calvino

Wenn ein Reisender in einer Winternacht
von Italo Calvino

Bewertet mit 4 Sternen

Das Verlangen, den neuesten Calvino zu lesen führt zu einer Jagd nach dem Wesen des Buches und des Lesens an sich. Verzweifelt treibt der Neugierige von einem Buch zum anderen, Romane, unbekannt, fragmentarisch bis sie auch seine Realität zerfransen.

Ein Buch, das genial konzipiert wurde und Calvino entweder höllischen Spaß gemacht hat oder ihn mit einem akribischen Aufbau zur Verzweiflung getrieben haben muss. Ich habe die kleinen Spitzen gegen wissenschaftliches Lesen genossen, die schillernden Brillanten der Liebe zur Literatur begeistert ausgegraben und bin an dem Versuch, eine Verbindung zwischen all dem Erzählten herzustellen gescheitert. Das Buch fordert eine Interpretation geradezu heraus! Es ließ mich von Anfang an, an die Diskursanalyse denken, die ich nie begriffen habe. Jeder Romananfang zieht eine Spirale an Assoziationen nach sich, die zu einem weiteren Romananfang führt bis sie sogar die erzählte Realität zu einer Fiktion zerfasern lässt.

Es ist kein Buch für zwischendurch. Es ist keine Lektüre, die man mal eben als Unterhaltung wegliest. Ein anspruchsvoller Roman, der fordert, sich auf ihn einzulassen, ihn hinzunehmen – bis man vorsichtig eine Sinnsuche wagen kann. Die Lektüre ist amüsant, frustrierend und spannend zugleich. Vermisst habe ich in dieser Ausgabe allerdings den Beitrag aus dem Kindler Literaturlexikon, einen Anmerkungsteil oder ein Nachwort. Gerade dieses Buch sollte mit Hintergrundinformation versehen werden, um dem normalen Leser ein bisschen was an die Hand zu geben. Nicht jeder hat einen literaturwissenschaftlichen Hintergrund oder Spaß an eigenständiger Suche nach dem Sinn seiner Lektüre. Der Lesegenuss wäre mit ein paar weiterführenden Informationen höher, da man dann wenigstens einen Orientierungspunkt hätte, um sich dem Werk zu nähern. Wirklich schade, dass darauf verzichtet wurde, da die Fischer-Klassiker-Reihe sich doch eigentlich durch den Kindler-Beitrag auszeichnet.