Rezension

Ein neues Leben in Brasilien…

Der Tanz des Kolibris - Sofia Caspari

Der Tanz des Kolibris
von Sofia Caspari

Bewertet mit 4 Sternen

Kreuznach 1844
Lange kann sich Anne, die als Magd auf dem Hof des Großbauern Reichard arbeitet, nicht mehr vor den Nachstellungen ihres Arbeitgebers retten. Sie konnte ihm bisher immer irgendwie aus dem Weg gehen, bis er sie eines Abends abgefangen und in einer abgelegenen Jagdhütte eingeschlossen hat. Es gelingt Anne zu fliehen, aber sie weiß, dass sie Reichard früher oder später zum Opfer fallen wird.

Der Zufall will es, dass Anne auf einem ihrer Botengänge nach Kreuznach hört, wie ein Agent nach auswanderwilligen Deutschen sucht, die in Brasilien ein neues Leben beginnen möchten.

Bei einer ihrer „gestohlenen Stunden“ erzählt Anne ihrem Freund Thomas, der als Knecht auf Reichards Hof arbeitet, von Brasilien und beide sehen darin ihre Chance. Ein neues Leben in einem aufregenden Land …... aber die Überfahrt ist teuer, und es kann nur einer von ihnen reisen. Anne nimmt als erste den langen Weg nach Brasilien auf sich und Thomas wird folgen, sobald er das Geld für seine Überfahrt gespart hat.

Die Autorin Sofia Caspari nimmt den Leser in „Der Tanz des Kolibri“ mit auf die Reise, von Kreuznach im Hunsrück (heute Bad Kreuznach) bis nach Brasilien, wo die Einwanderungswelle durch deutsche Siedler im 19. und 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt hatte. Viele Deutsche hatten damals den Wunsch, den wirtschaftlichen und politischen Problemen in ihrer Heimat zu entfliehen. Das Versprechen, dass die Einwanderer nach ihrer Ankunft von der brasilianischen Regierung Land geschenkt bekommen, war für viele Menschen der letzte Anstoß sich auf die weite und gefährliche Reise zu machen. Sie alle sehnten sich nach einem besseren Leben.

Zur gleichen Zeit wie Anne, macht sich auch Wilhelm Berlau aus Kreuznach auf den Weg nach Brasilien. Nach dem Tod seiner Mutter, möchte er dort nach einem Verwandten suchen.

Anne hat Glück, denn sie bekommt eine Anstellung als Hausmädchen bei Familie Hellman, die in Botafogo, einem vornehmen Stadtteil von Rio de Janeiro, wohnt. Severin Hellmann ist schon vor vielen Jahren aus Deutschland nach Brasilien ausgewandert. Er ist verheiratet und hat 2 erwachsene Töchter und einen Sohn.

Im Hause Hellmann treffen Anne, Wilhelm Berlau und Familie Hellmann aufeinander und das Handeln des Einen hat Auswirkungen auf das Leben der Anderen, unweigerlich.

Der Leser bekommt die Geschichte aus der Sicht einer dritten Person geschildert und immer abwechselnd von Anne/Thomas, Wilhelm Berlau und Familie Hellmann. In kurzen Einschüben mit der Überschrift „25 Jahre zuvor“ erfährt man etwas aus der Vergangenheit von Lydia Berlau, Wilhelm Berlaus Mutter. Sie hat ihrem Sohn ein Tagebuch hinterlassen.

Die Charaktere sind, wie auch schon in den anderen historischen Romanen, die ich von Sofia Caspari kenne, sehr schön angelegt. Alle Personen sind glaubhaft und handeln realistisch und machen im Laufe der Geschichte eine Entwicklung durch.

Die Geschichte selbst hat mir sehr gut gefallen. Ganz sicher ist es auch dem einen oder anderen Auswanderer so gegangen, wie im Buch beschrieben. Das Leben war hart zur damaligen Zeit – ob in Deutschland oder anderswo. Es wurde einem nichts geschenkt.

Der Showdown der Geschichte hätte für mich persönlich viel mehr Drama haben können. Die Entwicklung hat mich wirklich neugierig werden lassen auf das, was dann passiert. Aber die Auflösung ist dann irgendwie gar nicht so dramatisch wie sie hätte sein können, sondern, für meine Begriffe, eher flach auslaufend.

Ein schönes Buch, das mir einige schöne Lesestunden bereitet hat. Am Ende fehlte mir jedoch das gewisse Etwas.

PS: Wikipedia sagt übrigens, dass 10 % der Brasilianer deutsche Vorfahren haben.