Rezension

Ein Glockenturm, viele Geheimnisse und ein Tabuthema

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 4 Sternen

Auf dem Glockenturm der Schule treffen sich Violet und Theo. Jedoch nicht, um sich dort oben zu unterhalten, sondern beide stehen auf einem schmalen Absatz und starren in die Tiefe. Theo macht das regelmäßig und erkennt sofort, dass Violet keine Selbstmörderin ist. Er überredet sie, wieder auf sicheren Boden zu gehen. Diese Aktion wird natürlich beobachtet und jeder glaubt, dass Violet Theo geholfen hat und wird so als Heldin gefeiert.
Normalerweise gäbe es keinen Grund mehr für die zwei sich zu treffen, aber in einem gemeinsamen Kurs über amerikanische Länderkunde, ergibt es sich, dass Theo gemeinsam ein Projekt mit Violet betreut. Sie sollen ihren Heimatstaat Indiana erkunden und darüber einen ausführlichen Bericht erstellen. Sie stellen ein paar Regeln auf und beginnen ihre Erkundigungen. 
Diese gemeinsame Zeit bringt sie einander näher und sie erkennen, dass sie mehr verbindet als trennt.
Meine Meinung:
Die extrem unterschiedlichen Meinungen zu diesem Buch haben mich dazu gebracht, mich selbst damit zu beschäftigen. Ich bin froh, es gelesen zu haben, denn es war eine sehr auffühlende und gefühlvolle Geschichte.
Im Mittelpunkt stehen Violet und Theo. 
Violet hat bei einem Autounfall ihre Schwester verloren. Seit diesem Ereignis ist nichts mehr wie es war. Alle Dinge, die ihr bisher wichtig waren, die sie bisher gerne gemacht habt, rücken in den Hintergrund. Sie hat sich von ihren Freunden distanziert und zählt die Tage bis zum Schulabschluss. Sie ist eine Überlebende, die mit der Schuld lebt, sie aber nicht verarbeitet hat. Erst das gemeinsame Projekt mit Theo lockt sie aus dem Schneckenhaus.
Theo hat den Ruf ein schräger Vogel zu sein. Oft wird er mit Freak betitelt und dementsprechend verhält er sich auch. Er verändert seine Kleidung, sein Auftreten regelmäßig. Er will sich nicht in eine Schublade drängen lassen. Niemand scheint ihn richtig zu kennen oder ihn richtig zu sehen. 
Als das Projekt im Unterricht mit Violet beginnt, zeigt er ihr auch immer wieder ein anderes Gesicht, aber Violet lässt sich davon nicht abschrecken. Es dauert eine Weile aber mit der Zeit und den gemeinsamen Ausflügen entwickeln sie Gefühle für einander. 
Damit beginnen aber auch die Probleme, denn Theo will sein Geheimnis nicht Preis geben. Vor allem seine Familie hilft ihm mit ihrer Untätigkeit und Gleichgültigkeit. Dafür hätte ich seine Mutter und Vater echt ohrfeigen können.
Das Buch zu lesen, war eine Reise, die ich nicht missen möchte. Es wird ein Tabu thematisiert auf glaubhafte Art und Weise, indem die Autorin versucht in das Gefühlsleben eines Betroffenen einzutauchen. Die wechselnde Perspektive gibt dem Leser Einblicke und damit mehr Wissen als den agierenden Hauptfiguren. Hätten wir nicht Theos Sichtweise gehabt, wären wir auch im Ungewissen geblieben wie Violet.
Eine Geschichte, die mich berührt hat und ein Tabuthema ins Blickfeld rückt, das leider noch immer oft tot geschwiegen wird.