Rezension

Ein Blick hinter den Vorhang - Leben in Vietnam

Die kleine Souvenirverkäuferin - François Lelord

Die kleine Souvenirverkäuferin
von François Lelord

Bewertet mit 5 Sternen

Julien lebt Anfang der 90er Jahre in Vietnam und die Eingewöhnung ist nicht einfach für ihn. So anders sind Land und Leute.  Es herrscht eine permanente und immer diffuse Angst vor staatlichen Restriktionen, der Kontakt von Ausländern mit den Einheimischen wird nicht gern gesehen.

Julien arbeitet als Arzt in einem Krankenhaus und wird dort mit einer rätselhaften Viruserkrankung konfrontiert. Sein vietnamesischer Chef und seine britische Kollegin Clea versuchen, die erkrankte Ordensschwester zu behandeln, stehen aber vor einem Rätsel. Da das Virus anscheinend aus dem Norden von der Dorfbevölkerung in die Städte getragen wird, begeben sich Clea und Julien auf eine ebenso verbotene wie auch gefährliche Reise in diese Region, um diesem Krankheitserreger auf die Spur zu kommen.

Julien hat in den Wochen vor dieser Reise des Öfteren den Kontakt zu einer jungen Frau gesucht, die auf der Uferpromenade verbotenerweise Souvenirs an die Touristen verkauft. Wobei Kontakt fast noch besser durch Beobachten ausgedrückt wäre, denn ein wirkliches Gespräch kommt zumindest anfangs kaum zustande. Diese junge Frau ist wie viele andere, die es ihr gleichtun, in ständiger Gefahr von der Polizei aufgegriffen und inhaftiert zu werden, andererseits benötigt sie diesen noch so kleinen Verdienst für die Unterstützung ihrer Familie. Julien möchte diese junge Frau gern näher kennenlernen. Er hat sich in sie verliebt, weiß aber aus seinen Kontakten mit der französischen Botschaft, wie gefährlich eine solche Bekanntschaft beiden werden kann. Die Polizei und der Staat haben ihre Augen überall und unterbinden Kontakte dieser Art immer sehr rigoros.

Julien und Clea finden wichtige Informationen über das Virus heraus, allerdings passiert bei einer Blutentnahme ein Unfall und sehr wahrscheinlich hat sich Clea selbst infiziert. Nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt kann Julien die kleine Souvenirverkäuferin zunächst nicht wiederfinden. Und er missachtet alle Warnungen, dass er nicht nach ihr suchen soll. In der Konsequenz wird er seitens der Polizei unter Hausarrest gestellt und ihm wird jeglicher Kontakt zu Einheimischen untersagt.

Im Großen und Ganzen ist diese Geschichte um die verbotene Liebe sehr anrührend und ohne Pathos erzählt. Leider vermittelt der zwischen Zeilen immer mal wieder das Gefühl, dass die Kolonialzeit Frankreichs in Vietnam noch immer besteht, auch wenn wir mittlerweile in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts angekommen sind. Das verwunderte mich umso mehr, als ich dann las, dass der Autor in beiden Ländern lebt. Hier hätte ich etwas mehr Abstand gut gefunden.

Trotz dieser kleinen Kritik hat mir der Roman sehr gut gefallen, gerade weil es eine Geschichte der leisen Töne ist. Insgesamt hat Lelord diese Mischung aus Liebesgeschichte und Medizinkrimi gepaart mit dem nötigen Wissen über das politische und gesellschaftliche Leben gekonnt erzählt. Ich kann das Buch wärmstens zum Lesen empfehlen.