Rezension

Eher verstörend als berührend...

Wimpern aus Gras - Ruth J. Benrath

Wimpern aus Gras
von Ruth J. Benrath

Bewertet mit 3.5 Sternen

Anna ist tot. Und Rena will wissen, warum. Seit Anna mit 19 Jahren Hals über Kopf in die USA ausgewandert ist, um Reiko zu heiraten, hat Rena ihre Schulfreundin nicht mehr gesehen, Briefe und Postkarten kommen immer seltener, Annas Mann hat Rena nie kennengelernt. Als eines Tages ein Paket mit Annas Tagebuch und der Todesanzeige bei ihr abgegeben wird und Reiko immer hartnäckiger den Kontakt mit ihr sucht, lassen Rena die Erinnerungen an die Freundin nicht mehr los. Und bald gibt es kein Zurückweichen mehr vor jenen Fragen, die Rena so lange von sich geschoben hat: Woher kam die Entfremdung zwischen ihnen nach langer, ungetrübter Freundschaft? Und was bedeutet Annas letzter rätselhafter, fast feindseliger Brief? In packenden, schnell wechselnden Szenen erzählt Ruth Johanna Benrath vom Wunsch nach Nähe und Liebe und der fatalen Wirkung von Abhängigkeit und Unterwerfung: die Geschichte einer jungen Frau, der jene Menschen immer fremder werden, denen sie sich am nächsten fühlt.

Anna ist tot. Und Rena will wissen, warum. Seit Anna mit neunzehn Hals über Kopf in die USA ausgewandert ist, um Reiko zu heiraten, hat Rena ihre Schulfreundin nicht mehr gesehen.
Als eines Tages ein Paket mit Annas Tagebuch bei ihr abgegeben wird und Reiko, den sie nie kennengelernt hat, immer hartnäckiger den Kontakt mit ihr sucht, lassen Rena die Erinnerungen an die Freundin nicht mehr los. Bald schon gibt es kein Zurückweichen mehr vor jenen Fragen, die Rena so lange von sich geschoben hat: Woher kam die Entfremdung zwischen ihnen? Und was bedeutet Annas letzter rätselhafter, fast feindseliger Brief?

Das Tagebuch von Anna bietet jedoch kaum Antworten. Von jeher nicht mit der Begabung gesegnet, die richtigen Worte zu finden und Texte zu verfassen, begnügte sich Anna damit, jeweils passende Verse aus Gedichten oder Liedern in ihr Tagebuch zu schreiben, um ihr Befinden auszudrücken. Ohne das Wissen um den passenden Kontext jedoch gerät der Versuch des Entzifferns der Hintergründe zu einem reinen Ratespiel, das Tagebuch entpuppt sich als Poesiealbum.
Rena verzweifelt schließlich: "Ich komme nicht an sie heran (...) Ich verstehe sie nicht. Je näher man ihr kommt, desto mehr verflüchtigt sie sich. Wie eine Fata Mogana. Liegt das an Anna oder an mir? Als würde ich sie nur von hinten sehen. Ich erkenne sie nicht..." (S. 173)

R. J. Benrath schreibt die Geschichte in prägnanten, kurzen Sätzen. Dabei wechselt sie oft schon nach wenigen Sätzen immer wieder die Perspektive, was den Leser dieselbe Situation zeitweise fast gleichzeitig aus der Sicht Annas, Reikos und Renas erleben lässt. Dadurch ergibt sich für den Leser ein halbwegs erschöpfendes Bild, nicht so aber für Annas Umfeld, das nicht begreifen kann, weshalb diese so sehr am Leben verzweifelte: "My soul is tired of life."
Schön fand ich persönlich auch die immer wieder eingestreuten englischen Einsprengsel von Texten und Versen, doch könnte ich mir vorstellen, dass das nicht jedem Leser Vergnügen bereitet, zumal kaum Übersetzungen zu den Textstellen angeboten werden.

Insgesamt finde ich die Idee sowie die Gestaltung des Buches gelungen, die Ausführung dagegen gefällt mir teilweise nicht so sehr. Die Charaktere sind allesamt blass geblieben, niemand kam mir wirklich nahe, und letztlich ist für mich die große Kernaussage des Romans: Einsamkeit.
Liebe, Gefühle, Nähe, Interesse - alles letztlich eine Illusion. Und so lässt mich das Buch eher verstört als berührt zurück.