Rezension

Durch dick und dünn

El Greco und ich - Mark Thompson

El Greco und ich
von Mark Thompson

Bewertet mit 4 Sternen

Schönes Buch über das Aufwachsen in den 1960ern und eine besondere Freundschaft, das sich Zeit zum Erzählen nimmt.

Ein schönes Buch vom Mare Verlag, in dem die Freundschaft zweier Jungen an der Grenze zur Pubertät geschildert wird, die in den 1960er/70er Jahren irgendwo an der Küste New Jerseys aufwachsen. Thompson erzählt in ruhigem Tempo von den Sorgen und Nöten, Träumen und gemeinsamen Erlebnissen der beiden (J.J. und Tony alias „El Greco“).

Eine Stärke des Buchs ist für mich, dass es sich nicht einfach nur um eine nette Coming-of-Age Geschichte handelt. Vielmehr wird das Aufwachsen der Jungs in den zeitgenössischen politischen und kulturellen Kontext eingebettet. Dieser beinhaltet dabei nicht nur Dinge wie die Freude über eine Rolling Stones Platte oder das Staunen über die Mondlandung, sondern auch ein sehr religiös geprägtes Umfeld, Nachbarn, die ihre Söhne an den Vietnamkrieg verlieren, eine zutiefst rassistische Gesellschaftsordnung und klare Verteilung der Geschlechterrollen. Ebenso wird die Kindheit der beiden nicht als behütetes, zauberhaftes Wunderland dargestellt. Die beiden müssen Krankheiten, Todesfälle, Gewalt und religiöse Zweifel ertragen und machen sich viele Gedanken, die ihnen kaum ein Erwachsener zutraut. Gleichzeitig machen sie dann aber auch wieder jede Menge Unsinn, den sie an langen Sommertagen ohne digitales Entertainment und ohne ständige elterliche Überwachung aushecken.

Dieses Nebeneinander der Schwere und der Leichtigkeit des Lebens wird vom Autor toll eingefangen. Die Charaktere sind liebevoll und gut gezeichnet, auch Nebenfiguren lässt Thompson mit nur wenigen Sätzen lebendig werden. Die Sprache ist sehr bildhaft. Vielen wird das gefallen, mir persönlich war es etwas zu schnörkelhaft und vor allem die zahlreichen Vergleiche schienen mir manchmal etwas schräg bis misslungen (z.B. „sternenfunkelnder Nachthimmel, schwärzer als ein Schamane von der Elfenbeinküste“ (171) oder „wo sich Chinesische Wildbirnbäume im Wind wiegten wie tausend Chearleader in einem Stummfilm“ (163)). Mich hat außerdem irritiert und etwas gestört, dass die Perspektive des Ich-Erzählers J.J. zwischen einer kindlichen Sicht und einer der erwachsenen Erinnerung zu wechseln scheint. Insgesamt also ein sehr schönes, lesenswertes Buch ohne Effekthascherei, mit liebenswerten Charakteren und leichten sprachlichen Abzügen.