Rezension

Düster, magisch, geheimnisvoll

Wen der Rabe ruft - Maggie Stiefvater

Wen der Rabe ruft
von Maggie Stiefvater

Blue stammt aus einer Familie mit hellseherischen Fähigkeiten – nur sie selbst besitzt diese nicht und kann die seherischen Fähigkeiten anderer lediglich verstärken. Deshalb begleitet sie ihre Tante in der Nacht zum Markustag auf den Friedhof, um die Seelen derer zu empfangen, die in den nächsten 12 Monaten sterben werden. Und dort, zum ersten Mal, sieht sie einen der Geister – einen Jungen in ihrem Alter und das kann laut ihrer Tante nur eines bedeuten: Blue wird für seinen Tod verantwortlich sein. Und wurde ihr nicht prophezeit, dass sie ihre wahre Liebe durch einen Kuss töten wird? Kann es sich hierbei um den mysteriösen Jungen handeln?

„Es gibt nur zwei Gründe, warum eine Nicht-Sehende am Vorabend des Markustags einen Geist erblickt, Blue. Entweder du bist seine wahre Liebe“, sagte Neeve, „oder du hast ihn getötet.“
- Wen der Rabe ruft, S. 26

Genau wie das Buch ist der Klappentext Neugier weckend und mysteriös, verrät aber längst nicht alles, worum es eigentlich geht. Denn die Jungs um den geheimnisvollen Gansey, auf den Blue auf dem Friedhof trifft, sind auf der Suche nach etwas, das sie unweigerlich mit Blue zusammenführt und diese Suche steht im Vordergrund des Buches, anstatt, wie man vielleicht glauben mag, eine sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Blue und Gansey. Ich ging also mit ganz anderen Erwartungen an das Buch heran, war aber alles andere als enttäuscht, als ich feststellte, dass die Liebesgeschichte nur ganz schwach angedeutet wird. Im Gegenteil, die Suche der Jungs nach dem verschollenen König hat Maggie Stiefvater eindringlich und packend geschildert, so dass man eigentlich nichts in der Geschichte vermisst. Die Geheimnisse, die den sagenumwobenen König umgeben, und die mysteriösen Dinge, die ihnen auf der Suche passieren, liegen wie ein Schleier über der Geschichte und ziehen einen magisch in den Bann. Manchmal wurde aus meiner Neugier regelrechter Frust, weil so viel Mysteriöses um die Clique herum vor sich geht, dass man endlich wissen möchte, was es damit auf sich hat, was dafür sorgte, dass ich das Buch quasi keine Sekunde weglegen konnte.

Noch immer schläft der König unter einem Berg, um sich geschart seine Krieger, seine Herden, seine Reichtümer. Zu seiner Rechten steht sein Pokal, gefüllt mit Möglichkeiten. An seine Brust geschmiegt liegt sein Schwert, es wartet ebenso wie er auf das Erwachen. Glücklich der, der den König findet und die Tapferkeit besitzt, ihn zu erwecken, denn ihm allein wird der König eine Gunst erweisen, so wunderbar, wie ein Sterblicher sie sich nur vorzustellen vermag.
- Wen der Rabe ruft, S. 125

Mit Blue, ihrer Familie und den Raven Boys hat Maggie Stiefvater wieder einmal außergewöhnliche Charaktere geschaffen, deren Eigenarten sie menschlich und sympathisch machen. Blue lebt mit ihrer Mutter, deren besten Freundinnen und diversen Tanten und Cousinen in einem viel zu kleinen Haus und natürlich besitzen alle seherische Fähigkeiten außer sie und sind herrlich schräg, ein bisschen so, wie man sich Wahrsagerinnen vorstellt. Auch hinter den Raven Boys steckt mehr als die reichen Jungs, für die Blue sie am Anfang hält. Hinter Gansey, der sich nichts aus Geld macht, dadurch aber oftmals sehr oberflächlich wirkt, versteckt sich eigentlich ein sehr melancholischer Charakter. Adam, der aus armen Verhältnissen stammt und hart arbeitet, um sich die Schule leisten zu können, wird regelmäßig von seinem Vater verprügelt und möchte seinem alten Leben unbedingt entkommen und deshalb die Gunst des Königs erringen, und Ronan zeigt seit dem Tod seines Vaters ein selbstzerstörerisches Verhalten, das nur Gansey unter Kontrolle zu haben scheint.
Wen der Rabe ruft ist einfach anders als alles, was ich bisher gelesen habe und mehr als eine Liebesgeschichte. Eine Geschichte voller Magie und genauso magisch geschrieben wie ich es von Stiefvater kenne. Düster, magisch, geheimnisvoll und stellenweise gruselig, ein absolutes Must Read.