Rezension

Divorced, Beheaded, Died...

Anne Boleyn - Alison Weir

Anne Boleyn
von Alison Weir

Bewertet mit 4 Sternen

“Divorced, Beheaded, Died: Divorced, Beheaded, Survived”. Ob die englischen Schüler im Geschichtsunterricht noch immer diesen Reim lernen, um sich an das Schicksal der sechs Ehefrauen des Tudorkönigs Heinrich VIII. zu erinnern, ist mir nicht bekannt, aber zumindest kann man an sich dieser Reihenfolge das Schicksal von Heinrichs Gemahlinnen merken. Mein Interesse gilt besonders Anne Boleyn, derjenigen mit der interessantesten Geschichte.

Sie ist eine faszinierende Persönlichkeit. Wenn man sie im Kontext der damaligen Zeit sieht, ist sie eine Ausnahmeerscheinung, was bestimmt auch ihrem Aufenthalt als Hofdame im Ausland geschuldet ist, der die Heranwachsende geprägt hat. Das Leben in Flandern am Hof von Margarete, der habsburgischen Statthalterin der Niederlande, hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei ihr, die starke Monarchin ist ihr ein Vorbild, hält sie dazu an, ihre Rolle als Schachfigur im adligen Heiratskarussell zu hinterfragen, kümmert sich um ihre Ausbildung. Der Wechsel an den französischen Königshof hingegen verpasst ihr nur noch den letzten Schliff bezüglich des Verhaltens in den Kreisen des Hochadels. Sie ist gebildet, mutig und willensstark, aber auch überambitioniert. Hat klare Vorstellungen davon, was sie will und wie sie ihr Ziel erreichen kann. Dass ihr das später um die Ohren fliegen und mit ihrer Hinrichtung enden wird, hat sie allerdings nicht einkalkuliert.

In dem vorliegenden Roman nutzt die Historikerin Alison Weir die verbrieften Fakten, die sie bereits in ihrem vor fünfundzwanzig Jahren erschienenen Sachbuch „The Six Wives of Henry VIII:“ zu Anne Boleyn zusammengetragen hat, fügt eine ordentliche Menge Tudor-Glamour sowie eine große Portion Drama hinzu und verknüpft so auf gekonnte Weise Fakten und Fiktion. Das Ergebnis ist ein farbenprächtiger historischer Roman, in dem uns die Autorin an Anne Boleyns kurzem Leben teilhaben lässt. An den Jahren als Hofdame, an ihrem Aufstieg am englischen Hofe bis hin zu ihrer Krönung, aber auch an ihrer zunehmenden Verzweiflung, als der geforderte männliche Erbe ausbleibt und Heinrich VIII. ihrer überdrüssig wird (damals weiß er allerdings noch nicht, dass die gemeinsame Tochter Elizabeth als die spätere Königin 45 Jahre lang höchst erfolgreich die Geschäfte führen wird). Heinrich VIII. bezichtigt Anne des Ehebruchs sowie des Hochverrats, lässt ihr den Prozess machen und schickt sie schlussendlich auf das Schafott.

Mit Hilary Mantels Cromwell-Trilogie, die im gleichen Zeitraum angesiedelt ist, kann und sollte man diesen Roman nicht vergleichen, denn die Booker Prize Gewinnerin spielt in einer anderen Liga. Aber dennoch ist „Anne Boleyn: Die Mutter der Königin“ sehr empfehlenswert, weil er sowohl historisch korrekt als auch unterhaltsam und gut lesbar geschrieben ist, und so vielleicht den/die eine/n oder andere/n dazu motiviert, sich etwas näher mit dieser spannenden Periode der englischen Geschichte zu beschäftigen.