Rezension

Die Tapfern kosten einmal nur den Tod

If We Were Villains -

If We Were Villains
von M. L. Rio

Bewertet mit 5 Sternen

M.L. Rio entwirft ein düsteres Panorama von Freundschaft, Verrat und unstillbarem Ehrgeiz, quasi als Bühnenbild für eine Geschichte epischen Ausmaßes, die Akt für Akt zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselt.

Vor zehn Jahren war Oliver Marks einer von sieben jungen Menschen, die am renommierten (fiktiven) ‘Dellecher Classical Conservatory’ Shakespeare studierten und aufführten. Bösewicht, Held, Verführerin? Die Grenzen zwischen Realität und Performance verschwammen, Bühnenrivalitäten führten zu echter Gewalt und schließlich zu Mord. Oliver wurde dafür verantwortlich gemacht, doch die Schuldfrage blieb nebulös.

In der Gegenwart wurde Oliver gerade aus dem Gefängnis entlassen und ist endlich bereit, Detective Colborne die ganze Wahrheit zu sagen, was eine beinahe shakespearesche Tragödie offenbart.

Die Geschichte ist von einem subtilen Gefühl des Unheils durchdrungen, auch in Szenen des bunten Theaterbetriebs. Es ist eine langsame, schwelende Spannung, die letztendlich zum dramatischen Konflikt eskaliert.

Die Charaktere und ihre überaus komplexen Beziehungen sind meisterhaft geschrieben, der Roman enthüllt ihre verborgenen Absichten und lotet die tiefsten Tiefen ihrer Persönlichkeiten aus. Wie üblich im Genre Dark Academia, sind die wenigsten von ihnen Sympathieträger, aber dennoch interessante Figuren.

M. L. Rio hat einen Master-Abschluss in Shakespeare-Studien, und das merkt man diesem Roman an. Ihr Schreibstil erschafft mühelos eine reiche Atmosphäre, findet genau die richtigen Bilder und Formulierungen. Die Charaktere haben ihre eigene Sprache, ein Mischmach von Shakespeare-Zitaten und prätentiöser Nachahmung.

In einem zeitgenössischen Roman wirkt die Verwendung von shakespearischer Sprache und einer Fünf-Akt-Struktur sowohl irritierend als auch faszinierend – ein originelles Stilmittel, das dem Werk ganz neue Bedeutungsebenen hinzufügt.

Fazit

Eine düstere Geschichte, die sich im Umfeld einer Bildungsreinrichtung abspielt – das ist ‘Dark Academia’, ergeht sich aber nicht in müden Klischees. Der perfekte Roman für Leser:innen, die Shakespeare und/oder atmosphärische Geheimnisse mögen.