Rezension

Die Leiden des jungen privilegierten Großstädters

Das hat er nicht von mir! -

Das hat er nicht von mir!
von Francesco Giammarco

Bewertet mit 2 Sternen

In - Das hat er nicht von mir - nimmt Francesco Giammarco die Geburt seines Sohnes zum Anlass über sein eigenes Aufwachsen zu sinnieren und was dies für seine Rolle als Vater bedeutet. Auf dem Einband wird die Frage gestellt, ob man ein guter Vater werden kann, „wenn man ein beschissener Jugendlicher war“, und nicht letztlich viele Fehler ziemlich lustig waren? Von dieser Frage und der Bejahung dieser getrieben, verfolgen wir ein Großwerden in München, an dem der Autor offensichtlich oft gelitten hat, sich als renitenten, unsportlichen, komplexbehafteten, viel trinkenden Jugendlichen präsentiert und doch, so die Botschaft, zum passablen Mann und Vater im Hamburger Trendbezirk wird. 

 

Auch wenn einige Passagen informativ und humorvoll geschrieben waren, konnte mich das Buch leider nicht überzeugen. Insgesamt fehlte mir Substanz und Tiefe in der Erzählung. Eine echte Reflexion in Bezug auf die Vaterrolle findet kaum statt, es erfolgt ein episodenhaftes Erzählen von Anekdoten, das nur an wenigen Stellen tatsächlich auf die Vaterrolle rückgebunden wird. Der größte Kritikpunkt ist für mich jedoch, dass durchweg die Erfahrung eines privilegierten, männlichen Großstädters beschrieben und dies an keiner Stelle ernsthaft reflektiert wird. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper wird in dieser Welt zum größten Leid, allerdings nicht genug, um sich ernsthaft zum Sport zu motivieren oder weniger Bier zu trinken. Insgesamt wird ein Jugendlicher beschrieben, der sehr behütet und privilegiert aufwächst, und vielleicht genau deshalb bereits am ganz normalen Aufwachsen leidet, rückblickend aber alles ganz easy und komisch findet. Weil es letztlich eben auch ein ziemlich easy Aufwachsen war, das in der Form sehr vielen Kindern nicht vergönnt ist.

 

Vor diesem Hintergrund wird dann in der Vorstellung des Autors auch eine Schwerbehinderung zu einem erstrebenswerten Distinktionsmerkmal, mit der er natürlich immer noch erfolgreicher Journalist wäre! Wenn man privilegiert ist, glaubt man sich ganz offensichtlich auch die Art seiner Schwerbehinderung aussuchen zu können. 

 

Am schlimmsten finde ich, dass der Autor mit diesem Buch dem Narrativ einer abgehobenen (journalistischen) Elite einen Bärendienst erwiesen hat, indem seine Erfahrungen als normal und repräsentativ weitgehend ohne gesellschaftliche Kontextualisierung dargestellt werden. 

 

Zwei Punkte gibt es von mir für den flüssigen Schreibstil und die soziologisch durchaus interessanten Einsichten in die Haltungen einer privilegierten, großstädtischen, männlichen Bildungselite in den Mittdreißigern. Dieser kann ich das Buch auch guten Gewissens für eine Nabelschau empfehlen.