Rezension

Der unabänderliche Verlauf der menschlichen Dinge

Menschliche Dinge - Karine Tuil

Menschliche Dinge
von Karine Tuil

Bewertet mit 5 Sternen

„Auch das war Gewalt: die Lüge, das verfälschte Bild des eigenen Lebens.“ [215]

Es ist ein hervorstechendes Werk, das Karine Tuil meisterhaft erzählt. „Menschliche Dinge“ ist eine Gesellschaftskritik, die die aktuellen vorherrschenden Themen rund um #MeToo oder die Strauss-Kahn-Affäre zu einem fesselnden Roman verwebt. Es geht um die Beziehung zwischen Männern und Frauen, aber auch um die Selbstdarstellung und das Ausnutzen von Einfluss und Macht.

Tuil skizziert einen Schauplatz, der seinen Höhepunkt im Gerichtssaal findet. Als Leser* in ist man sofort gefesselt. Zum einen liegt dies am Schreibstil, modern und direkt, zum anderen sind dies die herangezogenen Vergleiche aus dem realen Leben, die das Ganze so authentisch erscheinen lassen. Man hat das Gefühl, es wäre ein Bericht über die spannend dargestellten Charaktere, ein Blick hinter die Fassaden jener einzelnen.

„Sie brauchten einen Kick. Adrenalin. Ein Männlichkeitsritual. Angst. Ein moralisches Dilemma.“ [116]

Eindrucksvoll zeigt die Autorin, dass das gesellschaftliche Bild aus vielen Rissen besteht und es nur einer Aktion bedarf, die alles auf den Kopf stellt. „Alles, ausnahmslos alles im Leben konnte von einem Moment auf den anderen aus den Fugen geraten.“ [51]

Pointiert zeigt Tuil soziale Machtverhältnisse auf und hält uns damit einen Spiegel vor.  „Die scheinbare Unterwerfung, um die potenzielle Gewaltbereitschaft des Angreifers nicht zu schüren.“ [207] Ihre Worte kommen teils leise, schleichen sich ins Unterbewusstsein, ins Gedächtnis und fangen an zu wirken. Sie lassen einen auch nach dem Abschluss des Romans nicht los.

„Für Gewalt gibt es nicht immer eine vernünftige Erklärung, davon verstehe ich etwas.“ [138]

Obwohl der Roman viele Abgründe unserer heutigen Zeit offenbart, lässt er sich wunderbar lesen. Man schweift, bei den von Tuil aufgeführten Geschehnissen der Gegenwart, oft in die reale Welt ab, reflektiert und kommt noch aufmerksamer zu den menschlichen Dingen zurück.

„Da Rechtswesen offenbarte den schicksalhaften Verlauf von Biografien, die sozialen Bruchstellen, das Scheitern der Politik – all das, was der Staat im Namen der nationalen Einheit gern unter den Tisch kehrte.“ [209]

Die Überschrift ist ein Zitat [Seite 297] des Romans.