Rezension

Das Herz, so weit und leer.

Kanada - Richard Ford

Kanada
von Richard Ford

Bewertet mit 4 Sternen

Amerik. Gegenwartsliteratur auf hohem Niveau

"Zuerst will ich von dem Raubüberfall erzählen, den meine Eltern begangen haben. Dann von den Morden, die sich später ereignet haben."

Ein Buch, welches die Höhepunkte vorweg nimmt? Ja, denn dieses Buch lebt nicht von Spannungsspitzen, sondern von den Tälern dazwischen. Diesem stillen Brodeln und Rumoren, welches zu derartigen Ereignissen führt. Vor allem aber von den Menschen, welche diese Täler durchschreiten. 

Die Familie passt nicht so ganz zusammen. Der Ich-Erzähler Dell, der am Anfang des Romans 15 Jahre alt ist, lebt mit seiner Schwester und seinen Eltern in einem kleinen Nest im US-Bundesstaat Montana. Der Vater, unehrenhaft aus der Airforce entlassen, versucht sich recht erfolglos als Auto,- und Immobilienverkäufer und hält die Familie mit kleinen Gaunereien über Wasser. Die Mutter ist gefangen in dieser kleinbürgerlichen Existenz und konnte ihre kreativen Talente nie entfalten. Diese Ehe scheint schon seit ihrem Beginn auf einem Irrweg dahinzuwanken. 

Es ist ein von vielen feinen Rissen durchzogenenes Familiengebilde, welches wohl in naher Zukunft ohnehin zusammengebrochen wäre.
Dieser Zusammenbruch aber wird vorweggenommen, denn ein wachsender Schuldenberg treibt den Familienvater zu einer verzweifelten Tat, einem Banküberfall. Seine Frau hilft ihm anstandslos und die beiden verüben die Tat sehr unprofessionell. Dementsprechend werden sie beinahe augenblicklich festgenommen.
Die Kinder sehen die Eltern nur noch ein letztes Mal. Der Vater verschwindet, die Mutter suizidiert im Gefängnis.

Der junge Dell wird zu einem -ihm bisher unbekannten-  fatalistischen Verwandten nach Kanada gebracht, dieser ist eine recht seltsame Gestalt und scheint mit einer bösartigen Aura behaftet.

Dies alles ist der Ausgangspunkt für eine Geschichte, der eine elegante Trägheit anhaftet, welche den Leser langsam durch die Seiten führt. Die Geschichte eines Jungen, dem die Adoleszenz aufgezwungen wurde und der uns seine Sicht der Welt darlegt. Wir wissen bereits am Anfang des Romanes: Dell hat es alles überstanden, aber wie hat ihn dieses Leben verändert?

Ford schreibt an den richtigen Stellen nüchtern und lakonisch, bietet uns dann wiederum wundervolle Beschreibungen und lässt die Figuren auf großartige Weise lebendig werden. Ein Meister seines Fachs. Gravitätisch, atmosphärisch und weise.

 

Es ist ein Roman über das große Thema Schicksal und den Wert von Moral und Anstand in dieser Welt.