Rezension

Brillanter biografischer Roman voller Tiefgang und Poesie

Westlich des Sunset - Stewart O'Nan

Westlich des Sunset
von Stewart O'Nan

Bewertet mit 5 Sternen

Nachdem Emily Walton in ihrem originellen Kurzroman Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte, bereits den berühmten amerikanischen Schriftsteller und seine Frau zu ihren Protagonisten machte, hat nun auch der renommierte Autor Stewart O’Nan den Golden Boy, wie man Fitzgerald nannte, in den Fokus seines neuen, sehr beeindruckenden Buches gestellt. Während sich Walton auf die glamouröse Zeit der Fitzgeralds in Südfrankreich konzentriert, handelt O’Nans Roman Westlich des Sunset von Fitzgeralds letzten Jahren als Drehbuchautor in Hollywood. Nach seinem „Crack-up“, wie er selbst seinen Zusammenbruch bezeichnete, befindet sich Fitzgerald zu Beginn des Romans im Jahre 1937 auf dem Tiefpunkt seiner Karriere, lange nachdem er mit Meisterwerken wie This Side of Paradise und The Great Gatsby zum Darling der amerikanischen Moderne avancierte. Er ist hoch verschuldet, schwer alkoholabhängig, und seine schriftstellerische Brillanz scheint mehr und mehr zu verblassen. Und auch in seinem Privatleben liegt vieles im Argen: Seine Frau Zelda lebt in einer psychiatrischen Klinik, seine Tochter Scottie wohnt aufgrund des instabilen Elternumfeldes in einem Internat. Fitzgerald ist von seinem einstigen Glamour nicht viel geblieben – die Rechnungen für Zeldas Behandlung und Scotties Schule sind horrend hoch -, und er muss dringend Geld verdienen, um seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Vergänglicher Glanz

Als man ihm einen Job als Drehbuchautor beim berühmten Hollywood-Filmstudio Metro Goldwyn Mayer anbietet, sagt er sofort zu und hofft auf einen Neuanfang – vor allem aber hofft er auf eine Wiederbelebung seiner schriftstellerischen Kreativität. In der luxuriösen Villenanlage Garden of Allah, in die er einzieht, erlebt er noch einmal ein flüchtiges Aufflackern seines einstigen glanzvollen Lebens, denn dort trifft er viele schillernde Persönlichkeiten des Show Business: Humphrey Bogart, Joan Crawford, Gloria Swanson und die Schriftstellerin und Kritikerin Dorothy „Dotty“ Parker, mit der er vor vielen Jahren eine Affäre hatte. Im Mondschein am palmengesäumten Pool tratschen die VIPs über alles und jeden in Hollywood und tanzen zu den Klängen der angesagtesten Musik. Hierbei darf natürlich der Alkohol nicht fehlen – ein großes Problem für Fitzgerald, der fast nie „Nein“ sagen kann und ständig abstürzt.

Neubeginn und Niedergang

Doch bei seinem neuen Job soll alles anders werden, und er beißt sich tatsächlich durch – man lässt ihn sogar am Drehbuch zur Verfilmung von Margret Mitchells Klassiker Vom Winde verweht mitarbeiten. Als er sich dann unerwartet in die recht bodenständige Klatschreporterin Sheilah Graham verliebt, scheint einem Neubeginn nichts mehr im Wege zu stehen. Doch Fitzgerald kann mit einem geregelten Leben nicht umgehen, geschweige denn mit dem ständigen Erfolgsdruck in Hollywood, und so obsiegt seine Sucht, die ihn mit Anfang 40 zu einem körperlichen Wrack gemacht hat. Obwohl sein Niedergang aufgrund seines Lebenswandels vorprogrammiert zu sein scheint, will er noch ein weiteres Mal seinem Schicksal trotzen und beginnt mit einem neuen Roman, Der letzte Tycoon, der schließlich sein Vermächtnis wird…

Ein großartiger biografischer Roman voller Tiefsinn und Poesie

Die Geschichte der letzten Jahre von F. Scott Fitzgerald, die O’Nan mit Westlich des Sunset so beeindruckend erdacht hat, ist eine Klasse für sich. Der Autor macht die künstlerische und persönliche Agonie des exzentrischen Schriftstellers beinahe fühlbar, so dass man fast vergisst, dass es sich hierbei um Fiktion handelt. Wenn O’Nan die mondänen Stars der damaligen Zeit, Fitzgerald eingeschlossen, unter den Sternen am Pool des legendären Garden of Allah feiern und tanzen lässt, gelingt es ihm scheinbar mühelos, die ganz spezielle Atmosphäre dieser glanzvollen Zeit und ihre glamourösen VIPs, für die das Leben eine einzige Champagnerparty zu sein schien, wieder zu erwecken.

Mit Tiefgang und Poesie rekonstruiert der Autor Fitzgeralds letztes Aufbegehren gegen seinen unausweichlichen Abstieg und stellt dabei dessen eisernen Willen, trotz widriger Umstände und trotz aller Verzweiflung niemals aufzugeben, in den Vordergrund. In einem Interview, das Bruce Ingram, Chicago Tribune1, mit O’Nan führte, betonte dieser, dass es für ihn wichtig war, herauszustellen, wie Fitzgerald angesichts der privaten und künstlerischen Rückschläge, die er erfahren musste, nicht aufgibt, weitermacht und sogar – gegen jede Chance – einen Neubeginn in Hollywood wagt, obwohl ihm von vorneherein klar ist, dass er dort nur sein Talent vergeudet. Diese Thematik der Endurance, die Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit der Menschen in schwierigen Situationen, taucht immer wieder in O’Nans Werken auf, denn sie ist existentieller Natur. Und es ist genau dieser unzerstörbare Überlebenswille, der O’Nans Protagonisten Fitzgerald letztendlich doch zu einem Sieger macht – wenn auch nur in kurzen Augenblicken. Mein Fazit: Sehr empfehlens- und lesenswert!