Rezension

Beschimpft und verehrt

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Joël Dicker

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
von Joël Dicker

Dieses Buch hat mich wütend gemacht und dennoch beeindruckt

Es gibt durchaus eher wenige Bücher, die dem um sie gemachten Hype auch wirklich gerecht werden. Meist kommt es mir so vor, als würde der eine dem anderen nach dem Mund reden und etwas toll finden, weil alle es toll finden. Genau mit dieser Haltung fing ich an, dieses Buch zu lesen. Oh, ihr könnt mir glauben, es hat Einiges von mir abverlangt. Zwischenzeitlich habe ich es verachtet, darüber geflucht und kopfschüttelnd beobachtet, was darin passiert. Ich war so kurz davor, es abzubrechen, weil es mir über lange Strecken vorkam wie eine billige Seifenoper, schön verpackt im Outfit eines Bestsellers. Stereotype Figuren, Dialoge, so gestelzt und gekünstelt, dass mir die Haare zu Berge standen. Nola, eine Figur, die mir von Anfang bis Ende nicht hätte ferner sein können mit ihrer selbstaufopfernden Vergötterung für Harry. Doch dann entschied ich, dass ich mir nur ein echtes Urteil bilden könne, wenn ich das gesamte Buch gelesen habe.

Tja, und jetzt bin ich erbost darüber, weil ich eingestehen muss, dass Herr Dicker ein echter Fuchs ist. Der Aufbau der Geschichte, die Entstehung des Buchs im Buch als Buch – das ist schon abgefahren gut. Denn es verwischt Grenzen, Grenzen zwischen Realität und Fiktion, Schüler und Meister, Schein und Sein, Grenzen zwischen Schund und künstlerischer Brillanz. Er stellt sich der Frage, was einen guten Schriftsteller ausmacht und zeigt ebenso die Umsetzung dessen. Das machte diesen Roman gleichzeitig oberflächlich und unwahrscheinlich tiefgründig, ebenso wie es mich als Leserin zunächst verärgert und schlussendlich dann doch überzeugt hat. So konträre Gefühle hatte ich bisher noch bei keinem Buch. Darüber bin ich tatsächlich immer noch empört und fühle mich fast, wie einer der klischeehaften Figuren in Dickers Buch.

Fazit: Eigentlich kann ich keine sinnvolle Sternebewertung vornehmen, weil ich diesem Roman so zwiegespaltene Gefühle entgegen bringen. Letztlich einige ich mich mit mir selbst auf 4/5 Sterne mit dem Hinweis, dass man dieses Buch erleben muss, um sich eine Meinung zu bilden.