Rezension

Berlin der 1920er Jahre wird lebendig

Fräulein Gold. Scheunenkinder - Anne Stern

Fräulein Gold. Scheunenkinder
von Anne Stern

Bewertet mit 4 Sternen

Wie schon im ersten Band um Fräulein Gold (Schatten und Licht) liegt der Fokus auf dem Leben in Berlin 1923. Wieder lernt man die ärmeren Viertel kennen, sieht bildlich die Geschäftigkeit auf den Straßen, nimmt die zunehmende Abneigung und Übergriffe gegenüber den Juden wahr. Die Inflation nimmt weiter zu, die Zahlen auf den neu bedruckten Geldscheinen werden immer größer. Mittendrin wieder Hulda, die sich um ihre Wöchnerinnen kümmert. Unerschrocken kämpft sie für das neugeborene Leben, für den kleinen Menschen, um den sich sonst niemand kümmern möchte oder kann. So macht sie sich auf die Suche nach dem verschwundenen Kind von armen Juden im Scheunenviertel. Trotz der Widerstände lässt sie das Schicksal des Neugeborenen nicht los und bohrt unermüdlich tiefer, bis sie die Wahrheit entdeckt. Spannend und sehr anschaulich schildert Anne Stern die Suche nach dem Kind. Man fragt sich, wieso das Kind von der Familie nicht wirklich vermisst wird und was mit ihm geschehen ist.

Die Sprecherin Anna Thalbach ist hervorragend für dieses Buch gewählt, denn neben dem Berliner Dialekt und der Ausdrucksstärke hat sie für jede Figur eine eigene Stimme, wodurch sie zum Leben erweckt werden.

Man begegnet auch wieder dem Zeitungsverkäufer Bert, Huldas Exfreund Felix sowie dem Kommissar und ihrem Freund Karl North. Alle drei spielen in Huldas Leben eine große Rolle und sind dementsprechend oft vertreten. Ich habe gebannt Huldas Handlungen verfolgt. Wie gewohnt geht sie sehr engagiert ihren Aufgaben nach, auch darüber hinaus, sucht unermüdlich nach dem verschwundenen Baby und trifft sich mit dem Kommissar Karl. Zwischen den beiden hat sich bereits im ersten Teil eine Liebesgeschichte angebahnt, die hier weitergeführt wird. Allerdings bleibt mir diese zu oberflächlich, was wohl den Kürzungen für das Hörbuch geschuldet ist. Zusätzlich hatte ich die meiste Zeit das Gefühl, dass die einzelnen Szenen aneinandergestückelt waren, da die Übergänge sehr abrupt erfolgten. Daher steht für mich fest, dass ich den dritten Teil (Der Himmel über der Stadt) auf jeden Fall wieder lesen werde.

 

Fazit:

Da für das Hörbuch einige Kürzungen erfolgten, hat mir das Buch nicht ganz so gut gefallen wie Band eins. Gerne bin ich wieder in Huldas Leben in Berlin der 1920er Jahre eingetaucht und habe ihrer Arbeit als Hebamme und der Suche nach dem Neugeborenen gelauscht. Sehr bildhaft stellt die Autorin die Situation dar und hat die Geschichte spannend aufgebaut.