Rezension

Auf der Suche nach der Familiengeschichte

Der Apfelbaum - Christian Berkel

Der Apfelbaum
von Christian Berkel

Bewertet mit 4 Sternen

Otto ist ein echter Berliner Junge aus dem Arbeitermilieu, Sala die Tochter eines Bildungsbürgers. Bekanntschaft machen sie auf höchst ungewöhnliche Weise: Otto macht gemeinsam mit einigen Kumpanen einen "Bruch" in Salas Elternhaus und steht dort fasziniert vor einer Bücherwand; Sala rettet ihn vor der Polizei. Die beiden verlieben sich ineinander, und Otto bemüht sich um eine passende Karriere - trotz aller Schwierigkeiten schafft er die Oberschule und beginnt ein Medizinstudium. Doch die Zeitumstände bringen große Hindernisse: Salas Mutter, die sich von ihrem Mann getrennt hat, ist Jüdin, ihr Vater homosexuell. Als die Nazis an die Macht kommen, muss Sala fliehen, zunächst zu ihrer Mutter nach Spanien, dann zu einer Tante nach Paris. Otto gerät als Lazarettarzt an die Ostfront...

Der Schauspieler Christian Berkel ist Autor dieses Romans, in dem er die Geschichte seiner Familie aufarbeitet. Er befragt seine Mutter, doch die ist alt und auf dem Weg in die Demenz; an vieles kann sie sich nicht mehr erinnern, an manches möchte sie es wohl auch nicht. So sucht Berkel die Orte der Familiengeschichte auf, findet Unterlagen und alte Briefe, die er als Grundlage für die Geschichte verwendet. Im Vorwort weist er darauf hin, dass die Charaktere seines Romans zwar Vorbilder in der Realität haben, aber dennoch Kunstfiguren seien - das muss wohl so sein, denn vieles ist unwiderbringlich verloren.

Die Geschichte von Otto und Sala ist interessant und überzeugend und sie ist auch gut geschrieben. Manches, das mich besonders interessiert hätte, bleibt leider offen - so zum Beispiel, wie sich das Zusammenleben des Paares nach der langen Trennung entwickelt. Der Autor selbst wird präsent in der Suche; seine eigenen Erinnerungen werden kaum gestreift. Interessant wäre auch, wie er sich zu seinem Erbe stellt: Nach jüdischem Recht ist er als Sohn einer jüdischen Mutter ja selbst Jude. Das bleibt leider alles offen. Als Buch, das die Lebensumstände der damaligen Zeit schildert, ist es aber allemal die Lektüre wert.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 30. Mai 2019 um 22:15

Die Kritikpunkte die du hast, wiegen aber zu stark als dass ich das Buch lesen möchte. Schöne Rezi, mit 4 Sternen bewertet - weiss man gleich, woran man ist und Wandaleins lesen sie dann auch. Danke.