Rezension

Am Rande der Gesellschaft

Ich an meiner Seite - Birgit Birnbacher

Ich an meiner Seite
von Birgit Birnbacher

Birgit Birnbacher- Ich an meiner Seite 

 Ein außergewöhnliches Buch einer österreichischen Autorin, die vollkommen zu Recht bereits mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. 

 In knappen nüchternen Sätzen, jedoch mit einem angenehm unaufdringlichen Humor erzählt Birnbacher in diesem Roman von Arthur. Arthur ist ein intelligenter und sympathischer junger Mann, der nach 26 Monaten gerade aus dem Strafvollzug entlassen wurde und sich nun in einem Programm zur Wiedereingliederung wiederfindet. Dem Leser stellt sich die Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein so netter ruhiger Typ im Gefängnis landet und worauf es nun ankommt, dass ihn die Gesellschaft wieder in ihrer Mitte aufnimmt.

 Was genau nun Arthur eigentlich angestellt hat, erfährt der Leser erst viel später. Stattdessen geht die Reise zurück in seine Kindheit und Jugend. Beides war sicher nicht einfach, aber ist damit wirklich eine Straftat zu rechtfertigen?

Arthur wächst ohne seinen Vater auf. Die Mutter interessiert sich nicht übermäßig für Ihre Söhne. Als sie einen neuen Partner findet, wandert die Familie nach Andalusien aus. Fehlender Rückhalt prägt das Leben Arthurs und hat sicherlich seinen Anteil an den späteren Ereignissen.

 Birnbacher streift viele Themen, etwa die Wichtigkeit eines geborgenen Elternhauses oder den Sinn und Unsinn von Haftstrafen bei sehr jungen Straftätern. Und als wichtigen Punkt schließlich, den schwierigen Weg zurück in die Gesellschaft. Arthur ist ein sehr intelligenter und bemühter junger Mann. Dennoch will ihm niemand Arbeit geben, will ihn niemand als Mieter haben. Die Macht der Vorurteile schlägt hier voll zu. Das ist tatsächlich eine sehr schwierige Situation, die nachdenklich stimmt.

 Immer wieder springt die Autorin zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Ich persönlich mochte das sehr, erfährt man doch auf diese Weise viel mehr über Arthur und darüber, was ihn in seine missliche Lage gebracht haben könnte. 

Durch  den knappen Erzählstil wird der Leser genötigt, zwischen den Zeilen zu lesen und seine Fantasie zu benutzen, denn die Autorin verrät immer nur das allernötigste. Das ist sehr interessant und sehr eigenwillig.

Gerade sprachlich hat mir dieser Roman sehr gut gefallen, das österreichische daran. Dieser leicht sarkastische Witz, der die Schwere des Themas etwas auflockert,  einfach toll.  

 Beeindrucken fand ich auch die tollen, teils skurrilen Charaktere, die Arthur begleiten. Börd, der Therapeut, der eine ebensolche selbst dringend nötig hätte. Und Grazetta, eine todkranke ehemalige Schauspielerin, die einzige Person, die sich ernsthaft um Arthur bemüht. Dennoch bleibt immer klar, dass es in diesem Roman in erster Linie um Arthur geht. Ein bisschen mehr über die anderen Figuren hätte ich trotzdem gerne gelesen.

 Ganz zum Schluss kann man dem Nachwort noch entnehmen, dass Arthur eine reale Vorlage hat. Wunderbar, umso beeindruckender. 

 Insgesamt ein äußerst lohnenswertes Buch. Ein wichtiges Thema, einfach gut geschrieben. 4 Sterne.