Rezension

Am Ende, am Meer

Das Meer in Gold und Grau - Veronika Peters

Das Meer in Gold und Grau
von Veronika Peters

Katia Werner, neunundzwanzig Jahre alt, hat nach einer unglücklichen und peinlichen Affäre ihren Job als Kindermädchen verloren und besitzt auch sonst nicht viel, was sie in ihrem Alltag hält. Doch laut Erzählungen ihres Vaters gibt es da die entfernte Halbtante, die niemand kennt, die uneheliche Tochter von Katias Großvater. Irgendwo an der Ostsee soll sie wohnen, ein Hotel betreiben, direkt am Meer. Und genau dorthin fährt Katia. In eine Pension am Strand, die von lauter Menschen über sechzig betrieben wird, in der in jedem Zimmer Katzen leben und deren Besitzerin, Katias Tante Ruth, alles andere als ein umgänglicher Mensch ist. Doch Katia bleibt, wird zu einem festen Bestandteil der Hotelcrew, auch wenn es immer wieder zu zwischenmenschlichen Schwierigkeiten kommt. Nur kann man sich manchmal die Menschen nicht aussuchen, die zu einem gehören.

Die Geschichte um Katia, Ruth und das Strandhotel ist auf eine sehr ruhige Weise erzählt, die immer kurz vor der Melancholie steht. Die dadurch heraufbeschworene Stimmung passt zu dem Setting, zu der Unendlichkeit des Meeres, zum Wind, zu der Unbeständigkeit, das ein Leben an der Küste bedeutet. Gleichzeitig betont diese ruhige Stimmung, dass es in diesem Roman nicht um Spannungselemente geht. Dafür ist die Erzählweise zu sprunghaft, greift immer wieder zukünftige Ereignisse vorweg. Man erfährt bereits am Anfang, dass Ruth im Laufe der Handlung sterben wird, und so liegt der Fokus eher auf dem Zusammenspiel der Charaktere und der Entwicklung der Hauptfigur. Auch wenn man über die Nebenfiguren, die verschrobenen Hotelbewohner und Nachbarn, nur sehr wenig erfährt, bilden sie ein wichtiges Ensemble, das diesen Roman auf eine lebendige und humorvolle Weise bevölkert. Auch die kleinen Besonderheiten des Hotels, zum Beispiel das Bücherkarussell und die Hingabe an jedes Detail, lassen den Handlungsort sehr lebendig werden.

Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere, besonders die von Ruth und deren bester Freundin und Mit-Hotelbesitzerin Elisabeth, ist sehr gut beschrieben, wird aber teilweise nur angedeutet. Manchmal empfand ich die Protagonistin allerdings als etwas langweilig. Sie fragt kaum, ist manchmal sehr schnell beleidigt und fühlt sich ausgeschlossen, weil ihr das Gefühl fehlt, irgendwohin zu gehören, und weil Ruth eben auch keine einfache Person ist. In solchen Momenten hätte man als Leser doch gern noch etwas mehr über die Figuren erfahren, noch ein paar Zutaten zu dem langsam verstreichenden Jahr gehabt, in dem der Roman spielt.

Das Meer in Gold und Grau ist ein ruhig erzählter, stimmungsvoller Ostseeroman mit einer unsicheren Protagonistin, die nicht so richtig weiß, wohin sie gehört, mit einer lebensklugen und sehr direkten Tante, mit liebenswerten und schrulligen Nebenfiguren. Auch wenn ihm ein kleines bisschen mehr hier und dort nicht gefehlt hätte, gelingt es der Autorin, den Leser für ein paar Stunden in dieses sehr ungewöhnliche Hotel an der Ostsee zu entführen, so dass man sich wünscht, es würde tatsächlich existieren.